Montag, 8. Januar 2007

Lifelong learning oder Ingwerhäschens Küchentipp.

Manche Dinge sind so selbstverständlich, dass ihr Leben auf dem Spiel steht. In einer Welt, in der nur ist, worüber man spricht, versuchen gewiefte Schaumschläger seit jeher, durch schicke Benennung der existenzbedrohenden Banalität Herr zu werden.

Die Wissenschaft weiß davon ein Lied zu singen. „Vergleichende Analyse wissenschaftlichen Fachvokabulars im Hinblick auf seinen Nutzen für die Wissenschaft i.U. zum Gebrauchswert für den scientifisch-narzisstischen Dialog“ wäre ein hübsches Thema für eine Doktorarbeit.

Keine Wissenschaft bringt es im Public Foam Whisking (PFW) zu solcher Meisterschaft wie die Psychologie. Natürlich darf jeder reden wie er will, auch Psychologen, und wenn er Formeln wie zum Beispiel „lifelong learning“ erfinden will, dann ist das sein gutes Recht. Schlimm oder sogar gefährlich wird es erst, wenn andere, zum Beispiel Journalisten, die seltsamen Blüten für Orchideen halten und sie in Silbervasen stecken anstatt ihnen das zu gönnen, was sie verdient haben: ein beschauliches Leben auf dem Komposthaufen.

„Lifelong learning“. Das bedeutet: Das eigene Hirn steht einem (in der Regel) ein Leben lang zur Verfügung. Heureka, wer hätte das gedacht! Anlass für gewisse Zweifel an diesem Konzept bieten allenfalls seine Erfinder. Ich bin mir sicher: Sein Überleben verdankt es allein dem Stabreim, der auf Englisch genauso funktioniert wie auf Deutsch. Schließlich ist nicht einzusehen, wieso alle von "lifelong learning" reden, aber keiner von "lifelong breathing", "lifelong sleeping" oder "lifelong eating".



Dies Ingwerhäschen dagegen kündet stumm davon, dass essen und lernen sich in puncto Lebenslänglichkeit in nichts nachstehen und man auch als langjährige Vertraute des Rübengerichts noch Neues lernen kann. Zum Beispiel, dass frischer Ingwer hervorragend zu Möhrengemüse passt. Und dass Möhren besser schmecken, wenn man sie vor dem Kochen in Stiftchen schneidet. Auch wenn man sie das halbe Leben lang in Rädchen geschnitten hat. Man lernt und isst eben immer weiter. Wenn man will, ein Leben lang.

4 Kommentare:

  1. Pandorias "Public Foam Whisking" wird hiermit zum Wort des Tages Januar ernannt und zusammen mit 99 weiteren Thesen an eine eicherne Küchentür geschlagen. Laiflong lörning wunderbar illustriert mit illustren kulinarischen Ratschlägen - wer würde da nicht vor Entzücken die Hände zusammenschlagen. Lifelong applauding, sozusagen. Die Mundwinkel seien nach oben ver- sowie der Hut gezogen vor so viel luzider Kritik an üblich gewordener Schaumschlägerei. Chapeau! Respekt! Von Martin.

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  2. Hm, ich wi(e)derspreche nur ungern (die Klammern deuten meine Unsicherheit an), aber lebenslanges Lernen ist doch etwas anderes als lebenslanger Gebrauch des Gehirns (oder lebenslangen Essens und Atmens): Es sagt doch (vor allem) aus, dass es heutzutage eben (leider ?) nicht mehr ausreicht, als junger Mensch zu lernen, wie man Brötchen bäckt, um dies dann sein Leben lang zu tun. Und dabei sein Gehirn vielleicht noch für Kreuzworträtsel oder die kritische Auseinandersetzung mit den Massenmedien nutzt (letzteres heisst Fernsehen und dabei über die Billigchips lästern, die man dazu (fr)isst).

    Sondern man lernt täglich neues dazu. Das Brötchenbeispiel ist dafür vielleicht nicht so optimal geeignet, aber stell dir einen Software-Entwickler vor, der heutzutage Sachen macht, von deren Existenz man vor fünf oder zehn Jahren noch gar nicht geträumt hat, noch nichtmal in Science-Fiction-Büchern. Das wird in der Zukunft auch so bleiben, und in noch viel mehr Bereichen so werden. Früher war es vielleicht in der Medizin schon so, oder in der wissenschaftlichen Forschung, aber dort ist das lebenslange Lernen ja wohl (Teil des) Konzept(s).



    Das ich mal in einem Hauptseminar (und ich hatte nur zwei davon in meinem Leben!) ein Referat mit Hausarbeit zum Thema lebenslanges Lernen gehalten habe, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht zu erwähnen. Das war allerdings schon im letzten Jahrtausend, und seitdem habe ich viel dazu gelernt.

    Heute z.B. das Public Foam Whisking - da schliesst sich Andy-U dann durchaus MartinK an.

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  3. Dank an Andy U für die Differenzierung meiner wie immer grob vereinfachenden Schelte. (Darf man über Dinge schimpfen, von denen man nur grob Ahnung hat? Ich meine, man darf, denn so macht der "Diskurs" einfach mehr Spaß!)
    Tatsächlich wusste ich bisher nicht, was das LLL-Konzept im engeren Sinne besagt. Dass es zum Beispiel konkret bildungspolitische Bedeutung hat etc. In diesem engeren Sinne hat der Begriff sicher einen Sinn. Wenn's schön macht... Soll heißen: Wenn in Zukunft tatsächlich mehr Bäckerlehrlinge die Chance bekommen, Softwareentwickler zu werden - so sie das überhaupt wollen.
    Trotzdem kann ich nichts dagegen tun, dass mein latentes Tourettsyndrom ausbricht, wenn ich Wortschöpfungen wie "lifelong learning" höre. Woran liegt's? Keine Ahnung. Der Schaumschlägereffekt eben. So sehr ich den Schaum auf der Latte Macchiato liebe, so widerlich finde ich ihn auf Wortfeldern.

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  4. Nachtrag: Wäre, wenn überhaupt, "lifelong changig" nicht der bessere Ausdruck? Um eben zu zeigen, dass es ums Gegenteil von "Schuster, bleib bei deinem Leisten" geht? An dieser Stelle drängt sich allerdings die Frage auf, ob wir die Schuster nicht lieber ermutigen sollten, ihren Leisten zu perfektionieren, anstatt zwangsumgeschult im Meer der „Mediengestalter“ u.ä. zu versinken.

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