Dienstag, 21. November 2006

Zitat des Tages.

Das Zitat des Tages ist von gestern. In der Süddeutschen Zeitung stand's, zwischen diversen anderen Sätzen, ganz am Rand, aber an was für einem! Am linken nämlich, auf Seite Eins, also da, wo seit jeher das "Streiflicht" seinen Platz hat, nie versiegender Quell des Wahren im Falschen, Guten im Bösen und Schönen im Hässlichen:

"Für jede kleine Verrücktheit und jede große Sehnsucht gibt es einen besten Platz, und da muss man hin, sonst kann man nicht zufrieden in die Grube fahrn"
(Streiflicht, SZ vom 20. November 2006)

Samstag, 21. Oktober 2006

Plädoyer fürs Nicht-Wissen.

„Ich weiß nicht, was das ist“, sagt der Mann und macht eine ausholende Geste. Vor ihm: eine verrätselte Stahlkonstruktion, ein überdimensionaler Rahmen, der sich weiter hinten im Kleinen wiederholt und schließlich den Blick freigibt auf Karlswiese und Marmorbad. Hinter ihm: ein Pärchen. Die Stadt: Kassel. Der Ort: neben der dokumenta-Halle.

Der Satz und die Geste wirken in ihrer Gegensätzlichkeit eigentümlich anziehend. Das offene Bekenntnis zur Unwissenheit und die schwungvolle Fremdenführer-Armbewegung in Richtung Kunstwerk zeugen, zusammen genommen, von einer Großzügigkeit, die umso beeindruckender ist, als sie nichts will. Sie will nicht imponieren, sie ist einfach da. Genauso gut hätte der Mann das stählerne Rätsel ignorieren und stattdessen auf die Landschaft verweisen können. „Hier unten seht ihr das Marmorbad und dort hinten die Orangerie“, hätte er zum Beispiel sagen können. Aber was hätte es gebracht? Der Besuch hätte vermutlich stumpfen Blickes genickt und die Namen schon im nächsten Moment vergessen.

Stattdessen hat der Mann - „Ich weiß nicht, was das ist“ - die Leute eingeladen, sich ihrer Unwissenheit nicht nur zu stellen, sondern sie regelrecht zu genießen. Die Folge: Fragezeichen auf den Gesichtern. Neugier. Rätsel. Begehen des Kunstwerks. Betrachten von allen Seiten. Vermutungen. Ahnungen. Nachdenken. Lachen.

Ich wette, die Besucher werden sich noch lange an den Moment erinnern. Nicht OBWOHL, sondern WEIL sie nicht wussten, "was das ist".

Ich behaupte: Was für die Kunst gilt, gilt erst recht fürs Leben. Und weiter: Würde man den „Ich weiß nicht, was das ist“-Satz nur öfter hören - die Welt wäre eine andere. Die Entscheider und Entscheiderinnen würden ab und zu innehalten und FRAGEN, statt am Fließband Antworten zu produzieren, Antworten, die meist nicht der Erkenntnis, sondern anderen Interessen dienen – Kostensenkung und Wählervertrauen, an erster Stelle aber Verbergen von Unsicherheit. Keine Chance zu wachsen, höchstens als Luftblase. Pessimistische Sicht: Mit heißer Luft aufgeblähtes Selbstbewusstsein regiert die Welt. Optimistische: Theoretisch reicht ein Nadelstich, und die Blase platzt.

Die Gruppe mit dem sokratischen Anführer ist verschwunden. Ein Mann setzt sich einen Steinblock weiter neben mich. Zündet sich eine Zigarette an. Deutet auf die Stahlkonstruktion. Fragt: „Was ist das?“ – „Ich weiß nicht“, sage ich. - „Aber es soll doch etwas bedeuten“, bohrt der Mann weiter. – „Ja“, sage ich, „man muss eben überlegen“. – „Sie sind nicht von hier?“ wird nun kombiniert. - „Nein“, sage ich, „ich kenne mich wirklich überhaupt nicht aus“. Der Mann zieht an seiner Zigarette, steht auf und würdigt den Rahmen mit dem Ausschnitt Welt keines Blickes.

Freitag, 15. September 2006

Weiße mit Schuss.

Aus der Hauptstadt erreicht mich folgendes Wahlplakat:



Nach längerem Überlegen bin ich zum vorläufigen Schluss gekommen, dass die "Berliner Weißen" die Nazis sein sollen - die eben einen Schuss haben. Klingelingeling! Hat aber gedauert. Eigentlich dauert's immer noch. Zuerst dachte ich, die Jusos seien "die Weißen" (in Anlehnung an die Weiße Rose oder was weiß ich), die von hinten auf die Nazis schießen. "Konsequent gegen Rechts" eben. Aber das wäre dann wohl doch ein bisschen zu konsequent.

Donnerstag, 14. September 2006

Zeit verlieren mit Jochen Schmidt.

Jochen Schmidt ist einer der Schriftsteller aus der Chaussee der Enthusiasten, die sich jeden Donnerstag im Berliner RAW-Tempel sehr kurzweilig präsentiert. Außerdem ist er Proust-Leser. Jeden Tag zwanzig Seiten. In seinem eigens für seine Proust-Lektüre eingerichteten Proust-Blog kann man sich davon lesend ein Bild machen. Man liest, wie er liest. Folgt man Jochen Schmidt, der Marcel Proust folgt, der wiederum der verlorenen Zeit auf den Fersen ist, verliert man unmerklich die Zeit, die man hinterher sucht, weswegen die Suche eigentlich nie aufhört. Es sei denn, man guckt Fußball.

Sonntag, 10. September 2006

Rosenrabatt.

Den heutigen Tag hat irgendwer zum "Tag des offenen Denkmals" erklärt. Und weil so ein Tag ohne einen hieb- und stichfesten Themenschwerpunkt mit Motto und allem Drum und Dran nach außen hin diffus wirken würde, widmet man sich dieses Jahr historischen Gärten. Motto: „Rasen, Rosen und Rabatten".

Der alliterativ den Gaumen hinabrollende Dreiklang auf R ist zweifellos ein Ohrenschmaus und verdient allerhöchsten Respekt. Findet Herr Öttinger aber nicht. Auf der Homepage des Landes Baden Württemberg hat man einfach den Gürtel enger geschnallt - zugunsten eines weniger Zeichen verbrauchenden und von der Message her versachlichten Slogans: "Rasen, Rosen und Rabatte". Die Sinnverschiebung vom Nutzlos-Floralen zum Wirtschaftlich-Profitablen harmoniert natürlich mit dem allgemeinen Spirit aus schaffe, noch mal schaffe und Häusle baue. Keine Rabatten ohne Rabatte! Aber in feierlich blühende Landschaften versteckte Aufrufe zum Knausern einzustreuen, geht dann doch zu weit!

Montag, 7. August 2006

Zwischenmiete: Berlinbalkon.

Pandoria ist vorübergehend umgezogen. Sie wohnt jetzt in Berlin. Zumindest im August. Den Blog hat sie natürlich mitgenommen. Er heißt jetzt nur anders. Zumindest im August.

Hier geht's zum "berlinbalkon".

Dienstag, 1. August 2006

Kleen heißt jetzt Bondorf!

Soeben erreicht mich folgende Nachricht: Meine Freundin Tini, Lesern dieses Blögchens auch bekannt als treu und beinahe einzig kommentierende und höchst lesenswert bloggende “tinifeliz“, hat im Zuge ihrer kürzlichen VERMÄHLUNG ihren Zunamen geändert! Hierauf einen dreifachen Tusch! - -
=> Kleen heißt jetzt Bondorf. Sonst ändert sich ...

... das Klingelschild
... das Assoziationsfeld (Immer dachte ich: Welch hübscher Kontrast zwischen der Hochgewachsenheit ihrer Gestalt bzw. ihres Geistes und ihrem Familiennamen „Kleen“! Was nicht heißen soll, dass „Bondorf“ nicht ebenfalls ganz wunderbare Gedankenspiralen in Gang setzt. Diese Mischung aus aristokratischer Frankophilie und ruraler Bodenständigkeit... Sogleich puzzelt sich ein Bild von im Weizenfeld tafelnden französischen Intellektuellen zusammen, die sich gegenseitig kleine Würfel weichen Camemberts – „très, très bon!“ in den Mund stecken, während im Hintergrund das kleine Dorf langsam im Schlaf versinkt)
... die E-Mailadresse, zumindest die bei der Arbeit
... das akustische Schmankerl der Alliteration in den Initialien (KB hat dafür irgendwie was von Haute Couture...)
... der Grad der Seriosität (Im Direktvergleich „Kleen“-„Bondorf“ schneidet Bondorf eindeutig besser ab, was klangliche Ernsthaftigkeit angeht. Aber hoffentlich nur klangliche!)
... und sicher noch viel, viel mehr.

Es freut sich mit Bondorfs diebisch und tanzt um den Tisch:

Pandorijani

Mittwoch, 26. Juli 2006

Perlentauchers Eleganz.

Viele Jahre schon bin ich Fan des Perlentaucher. Für den, der will (und ich will!), durchkämmen seine Mannen und Frauen täglich die großen Feuilletons auf der Suche nach Absonderlichem, Wunderbarem oder auch Lachhaftem. Die schönsten Perlen werden dann im Newsletter zutage gefördert. Die Kunst des Perlentaucher besteht neben der Auswahl vor allem in der frech komprimierten Kompilation des Gesichteten.

Heute klingt das z.B. so:

"Die Welt staunt über die vollendete Künstlichkeit der Christiane Schäfer. In der NZZ erzählt der Islamwissenschaftler Maurus Reinkowski die Geschichte des Libanon. Der Tagesspiegel erklärt, warum ein Unternehmen, das täglich fünf Millionen Menschen transportiert, keine Ausstellung über vergangene Höchstleistungen möchte. FAZ und SZ liegen Johnny Depp zu Füßen."

Der Tagesspiegel erklärt, warum ein Unternehmen, das täglich fünf Millionen Menschen transportiert, keine Ausstellung über vergangene Höchstleistungen möchte. !!!. An solch beißender Diskretion sollte man sich ein Beispiel nehmen. Ach, Eleganz kann so vernichtend sein...

Donnerstag, 20. Juli 2006

Nasiehschesscho.

Comprendre, c’est distinguer, sagt Descartes. (Ja, DER Descartes. René Descartes. 1596 bis 1650.) Verstehen heißt unterscheiden.


Diese einfache Formel erklärt, warum z.B. Leute, die nuscheln, es schwer haben im Leben, weil man ihre Wörter nicht voneinander UNTERSCHEIDEN, ihre Rede also nicht VERSTEHEN kann. Es sei denn, das Gegenüber legt genauso wenig Wert auf Wortgrenzen und die beiden verstehen sich in entgrenzter Eintracht. Das dürfte aber die Ausnahme sein.

Unsere ausländischen WM-Gäste hier in Karlsruhe trugen die Bürde des Badischen jedenfalls mit großer Würde. Wie jener Gast von der sagen wir Elfenbeinküste, der sich offenbar vom Plakat zur Schmetterlingsausstellung im Naturkundemuseum angezogen fühlte und nun von einem einheimischen Passanten wissen wollte, wie man dorthin kommt.

„Damusch alsgradaus unna vorn linksnai, nasiehschesscho.“

„Nasiehschesscho?“ fragt der Elfenbeinküstler höflich.

„Ja, ja, alsgradaus.“

„Alsgradaus?“ Der Elfenbeinküstler ist verunsichert – na was denn nun? Wird er auf Elfenbeinküstlerisch denken. Sagen tut er aber nichts. Wie auch! Das fliehende Wedeln der Hand des deutschen Freundes, in dessen Welt er zu Gast ist, weiß der Elfenbeinküstler zum Glück richtig zu deuten und geht eine Weile geradeaus. So lange, bis es ihm geraten scheint, doch besser noch mal jemanden zu fragen.

„Na vorn linksnai, nasiehschesscho“, lautet die Antwort.

„NASIEHSCHESSCHO!“ freut sich der Elfenbeinküstler, und mit den Schweißperlen tropft auch das letzte Restchen Unverstand von seiner Stirn. Erleichterung und Glückseligkeit stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Schnurstraks geht er auf das NATURKUNDEMUSEUM zu. Seine Laune könnte besser nicht sein. Hat er doch schon wieder eine neue Vokabel von den netten Deutschen gelernt.

Offenbar hatte unser ausländischer Gast verstanden ohne zu unterscheiden. Und so Descartes ein Schnippchen geschlagen.

Dienstag, 18. Juli 2006

Weißes Rauschen.

„Erneut haben die Gespräche zwischen dem Marburger Bund und den kommunalen Arbeitgeberverbänden keine Annäherung in der Gehaltsfrage gebracht. Nun droht eine Ausweitung der Streiks an Kreiskrankenhäusern und städtischen Kliniken“, liest man in der Süddeutschen oder sonst wo. Und denkt sich einmal mehr: Jawoll! Jawoll! Jawoll! (Und sieht großzügig davon ab, dass das eigentlich dreimal mehr waren.)
Aber Zahlen sind hier sowieso nur Schall und Rauch. Wie sonst ist es zu erklären, dass ein junger Assistenzarzt nach 23 Stunden Dienst auch in der 24. noch klaren Sinnes über Leben und Tod entscheiden soll, wenn der 102. Befund grau in grau vor seinen Augen verschwimmt – für 2,50 Euro die Stunde?

Auch das Städtische Klinikum Karlsruhe hat gestreikt. Bereits am 13. Juli. N. (Buchstabe von der Redaktion geändert), 30, Radiologe ebenda, sagt, er finde es scheiße, dass es in der ganzen Diskussion immer nur ums Geld gehe. "Ich will leben", sagt er. Doch die Klinikleitung findet offenbar, dass ihre Ärzte dazu da sind, Leben zu retten. Von selber leben war nie die Rede.

Die Quadratur des Dreiecks: Was würde Hippokrates dazu sagen?

Freitag, 14. Juli 2006

Egoshooter.
Die WM geht DOCH weiter! Sie sucht sich lediglich neue Formen. Zum Beispiel so eine: Zidanes Kopfstoß als Computerspiel
Alnatura!
Ich finde dich ja wirklich toll und gebe auch gerne zu, dass ich Gemüse, Milch- und Backwerk, also eigentlich ALLES, ausschließlich bei dir oder einem deiner Artverwandten einkaufe.
Aber DAS muss doch wirklich nicht sein, oder?!


Menschlich enttäuscht:
deine Pandoria

Donnerstag, 13. Juli 2006

Weil's so schön war und die WM einfach noch nicht zu Ende sein DARF, hier noch ein paar Eindrücke vom Rande der Fanmeile am Finalabend:

Ein Fan für alle Fälle



Mahnmal auf Mahnmal: Vergangenheitsbewältigung in Zeiten der WM


Vom Fußball- aufs Stelenfeld: fröhliches Fanquartett

Für die wirklich erhabenen Momente muss dann doch wieder die Quadriga aus Stein herhalten. Doch leider bleibt die Erhabenheit, in schnöde Pixel aufgelöst, bloße Behauptung.

Und damit's nicht zu jenseitig wird, sei die Uhr flugs ein paar Stunden zurück gedreht, auf etwa zwölf Uhr mittags. Da fluppt man noch durch Kreuzberg, wo man aus alter Tradition heraus grundsätzlich dagegen ist.

Samstag, 1. Juli 2006

ZKM. Meteo 2004.

Viel zu lange schon existiert dieser Blog ohne Nennung des ZKM. Schluss damit!

Das ZKM kann man ohne Übertreibung einen magischen Ort nennen. Dem (weltweit) einzigartigen „Zentrum für Kunst und Medientechnologie“ ist es zu verdanken, dass die auf den ersten Blick eher unsexy wirkende Beamten- und Technikerstadt Karlsruhe (mit Assoziationen von irgendwie zu blass geratenen Maschinenbaustudenten mit Nebenfach Verfahrenstechnik) doch noch zum Vamp wird. (An dieser Stelle ein Gruß an den Karlsruher Zoo mit der Bitte, seinen Claim, „Die wilde Seite der Stadt“, noch einmal zu überdenken!)

Hier, im ZKM, geht die internationale Kunstszene mit Wissenschaft und Technik Verbindungen ein, die auch im sachlichsten Besucher Regungen wecken, von denen er bisher wenig geahnt hat. Das hat unter Umständen zur Folge, dass ihm beim Hinausgehen die Oberleitungen der Straßenbahn als Ausgeburt der Sinnlichkeit erscheinen, und seiner Frau schwant angesichts des verklärten Blickes ihres Gatten Seltsames.

Dem gestern im blauen Kubus eröffneten Kunstwerk “Meteo 2004“ des italienischen Medienkünstlers Stefano Scheda kann sich keiner entziehen, der in die Nähe des ZKM gespült wird, denn es leuchtet innen wie außen. Ab sofort wird jeden Abend ab 22 Uhr lautes Geratter von Maschinengewehren nicht nur das auf sechs Leinwände projizierte Badestranidyll mit Nackten irritieren, sondern vermutlich auch den ein oder anderen Karlsruher Paragraphenfan.

Ein Kunstwerk muss man sich erschließen. Was oft unterschätzt wird, ist das Zuschließen. Im Falle des ZKM-Kubus' jedenfalls erforderte dies zehn Minuten vereinter Friemelei, das Herbeirufen einer Hilfskraft sowie das Ertragen gewitzter Seitenhiebe eines vergnügten Menschen in Gelb – etwa eines solchen wie hier im Bild. (Der z.B. seinen Verzicht auf Bafög mit Sätzen begründet wie diesen: „Ich will mich doch auch nicht zum Essen einladen lassen und mich hinterher dafür entschuldigen müssen. Das kotz ich doch gleich wieder aus.“)

Freitag, 30. Juni 2006

Esteban Cambiasso gegen Jens Lehmann: Lehmann HÄLT!!!!!!! JENS, WIR LIEBEN DICH!!!!!!!
Deutschland ist im Halbfinale.
Ob Robert wohl mit uns feiert? Und wenn ja: von wo?
Tim Borowski: TOOOOOR!!!
Genau, Podolski!!!
Rodriguez, ein bisschen weiter links hätt's schon sein können. Wir sind doch FREUNDE...
Lehmann, Held, der hält, was andere versprechen!
JAWOLL! Problemkind Ballack schießt die Probleme 3:2 in den Wind.
VIERTELFINALE.
Deutschland-Argentinien, 1:1. Elfmeterschießen. Spannung: 120 Volt.
Und...
Toor! (Neuville)
Robert Gernhardt ist tot.

Lieber Robert,

der Tod steht dir nicht gut.

«Nein, ich schau mir die Radieschen nicht von unten an!
Wo ich doch schon bald von oben auf die Antipasti blicke.»

hast du gerade erst gedichtet.
Traurig die Wahrheit:
Dein Gedicht überlebt,
du nicht.

Der Tod steht dir nicht gut.
Dichte doch wieder!

Es trauert, ohne dass du’s weißt
deine
Pandoria

P.S.:
Der Frankfurter Hauptbahnhof: Wie oft du wohl hier gestanden und mit Blick aus dem Kopf heraus deine Reime in die Welt geschickt hast?

Mittwoch, 28. Juni 2006

Fußballtest für Frauen.

Das sehr zu empfehlende Onlinenachschlagewerk wissen.de hat zur WM-Halbzeit eine kleine Spielerei für Frauen gebacken, die einen Fußballfan zu Hause haben. Sie läuft auf das alte „Erkenne dich selbst!“ hinaus und sagt einem nach erfolgtem Klickparcours, welcher Typ Fußballfanfrau man ist.
-> Hier geht’s zum Test.

Dienstag, 27. Juni 2006

Frage im Flug.



Ein Fahrrad fliegt unter einem Balkon mit Fußballfieber vorbei.
Das Fahrrad: „Wie steht’s?“
Der Balkon: „1:1“
Das Fahrrad: „Wer spielt?“
Der Balkon lacht vielstimmig und verwirrt aus der Ferne.

Dienstag, 20. Juni 2006

Keine fünf Minuten.
5. Spielminute Ecuador-Deutschland. Akustischer Zwischenstand:
Eine Fußballhupe, Johlen von Bierbalkonen, Sekunden später in der Ferne ein Krankenwagen. Vom Bierbalkon gegenüber: "Mensch Oli, du... Minihoden!"
Anm.: So also sprechen Männer, wenn sie unter sich sind. Hab ich's mir doch gedacht...

Montag, 12. Juni 2006

Console sagt.

„Minimal ist keine Lösung“, sagt Martin Gretschmann aka Console aka Acid Pauli, der Zauberer unter den musi(kali)schen Elektronikkünstlern, und spricht mir aus der Seele.
Minimal ist tatsächlich keine Lösung, denn minimal bedeutet Monobisschen statt Stereototal, Grau statt Weiß, Sie statt du, oh je statt olé, warten statt springen, Trübsinn statt Unsinn, Wasser statt Wein, Regen statt -bogen, zaudern statt zaubern, kriechen statt fliegen, Gleichstrom statt Wechselstrom, Konjunktiv statt Indikativ und so fort ...

So meine Consoles Wissen weiterspinnende Meinung. Höchst angreifbar, versteht sich. Aber darum geht’s ja eben.

Sonntag, 11. Juni 2006

Karlsruhe am Eröffnungstag.

Bevor Angola-Portugal losgeht, hier schnell ein paar Fundstücke von vorgestern, dem Tag der WM-Eröffnung - aufgelesen in der Innen- bzw. Oststadt von Karlsruhe:

Wunderbar und weise: die Transparentbotschaften im Blumenbeet vor dem Naturkundemuseum! Ob man diese hier extra für den kantigsten Kicker Karlsruhes, für Oliver Kahn, in seine Heimaterde gesteckt hat?

Sätze wie in Stein gemeißelt wehen hier im Frühlingswind: Auch diese Botschaft entfaltet ihre ganze Wahrheit womöglich erst auf dem Spielfeld. Aber wer behauptet eigentlich, dass es zwischen dem Leben auf dem Fußballrasen und dem Leben "an sich" nennenswerte Unterschiede gibt? Ok, die Foulspieler bekommen im Leben in der Regel keine Platzverweise. Aber sonst...?

Natürlich kann man vor der weniger ästhetischen Wirklichkeit nicht die Augen verschließen, so man nicht überfahren werden will. Aber man kann sie ein wenig auf "unscharf" stellen...

... oder hin und wieder auf den Boden richten. Dann findet man mitunter geheime Botschaften. Voilà, lieber Leser: Entscheide selbst, was du in diesem zarten Pflänzchen sehen willst, mit dem das Schicksal offenbar Großes vorhat!

Karlsruhe gibt sich auffällig LIEBENSWERT: Ganz offensichtlich hat man beschlossen, unbedingt und unter allen Umständen dem Klischee des drögen Deutschen entgegenzuwirken. Bleibt zu hoffen, dass unsere ausländischen Gäste auch diesen von seinem Wesen her eher nüchternen Pfosten in lieber Erinnerung behalten werden.

Freitag, 9. Juni 2006

WM quand même!

Es hilft ja alles nichts! Der heutige Tag gehört dem Fußball, und was auch immer ein Blog sein mag - ehrenhafter Ritter der (Presse-)Freiheit, aktenkundiger Sachbearbeiter des Chronologischen oder lachhafte Gedankenwaschtrommel – keiner wird umhin kommen, ihn, den Tag, ins Licht des ERÖFFNUNGSSPIELS zu rücken. Anderenfalls verlöre er, der Blog, sein letztes Milliampere Daseinsberechtigung.

Heute also beginnt die Fußball-WM, und zum ersten Mal fällt mir auf, dass die WM auch dann noch WM heißt, wenn man kopfsteht. (Ich vermute sogar, dass sie erst dann ihren wahren Charakter zeigt.)

Außerdem wirkt das allgemeine Olé zumindest zeitweilig ganz passabel gegen individuelles Weh. Drum hier mein Rat an alle, denen das Leben gerade keine Tore schenkt (auch und v.a. an die, bei denen sich angesichts eines Fußballs für gewöhnlich nichts regt außer dem Wunsch, vor ihm, dem Fußball, verschont zu bleiben):

Werft euch ins WM-Fieber, stellt euch oder alles andere auf den Kopf und kickt euch oder alles andere ins Tor oder ins Abseits!

P.S.: Ich liebe die Fußball-WM, denn gerade beschert sie mir durchs halb offene Fenster einen Bauarbeiter, der ungefähr im Viertelstundentakt „Costa Rica“ nein, eben nicht gröhlt, sondern SINGT, während er die Kelle schwingt. Eben sang er sogar vom Gerüst herunter (oder war es sein Kollege vom Brett eins drunter?) : „Üüüber den Wolkennnn...“!

Dienstag, 6. Juni 2006

An dem Tag als du kamst
Als du doch Abschied nahmst
Weinte ich und sah vor mir
Ewigkeiten mehr als hier

Zufall und Planbarkeit
Ungeduld und die Zeit
Zeigen sich mir mit dem Ziel
Nicht zu zwingen was ich will

Viel, viel mehr als geahnt kam zu mir
und wird mich finden

(Barbara Morgenstern)

Samstag, 3. Juni 2006

Billiger Sex.

Die Welt ist voller Rätsel!
Gestern z.B. hatte ich das Straßenbahnvergnügen, der Unterhaltung eines mir fremden, dem kugelrunden Augenschein nach fruchtbaren jungen Paares zu lauschen. Der Dialog (der in Wahrheit ein Monolog des Gatten mit dünnzustimmigen Einsprengseln der Gattin war) ging ungefähr so:

Er: „Beim Mediamarkt gibt’s jetzt die sdjvkb 078 A (vermutlich eine Espressomaschine, in Wahrheit aber wohl doch eher ein Staubsauger) für nur 99 Euro!“

Sie (versonnen-indifferent): „Hmmm.“

Er: „Das ist NOCH billiger als beim eufhiufew (vermutlich eine Import-Export-Geldwäscherei).“

Sie (hält sich die Hand auf den Bauch und schweigt): „---.“

Er: „Aber ich hab nicht geschaut, ob sie auch djbvdfjbv (offenbar ein technisches Feature) hat. Wenn nicht, wär natürlich die andere doch günstiger.“

Sie: „Ja...“

Er: Aber findest du nicht auch, dass wir lieber noch warten sollten, bis die noch weiter runtergehen mit dem Preis?“

Hier musste ich aussteigen. Zum Glück! Ich glaube, ich wäre sonst unflätig geworden. Hätte mich womöglich in Dinge eingemischt, die mich nun wirklich nichts angehen. Hätte die Frau gefragt, wie sie es mit DIESEM Mann aushält bzw., konkret: wie es zu dem kommen konnte, was jetzt als Kugel unter ihren Händen Schutz sucht. Noch konkreter: Wie es sich anfühlt, mit einem unter Sparzwang leidenden Staubsauger Sex zu haben?

Den Dialog im Bett mag man sich lieber nicht ausmalen...

Freitag, 2. Juni 2006

Gerichtsknigge gesucht!

Liebe Leser,
Neues aus der Hauptstadt des Rechts: Meine Freundin, die „InFoScore Forderungsmanagement GmbH“ hat mich eingeladen! Weil ich ihr bzw. ihrer Kundin ARCOR keine 200 Taler fürs Nichtstun schenken wollte, scheint sie es ernst zu meinen und will ihre Forderung nun „gerichtlich geltend“ machen. Da ich noch nie „vor Gericht“ war, wird das sicher spannend. Nur: Was ziehe ich an? Und: Muss ich was mitbringen? Was, wenn mir der Konversationsstoff ausgeht? Und wem gibt man zuerst die Hand?
Dankbar für gute Tipps grüßt herzlich
Pandoria (ab jetzt mit "i")

Mittwoch, 31. Mai 2006

Lustiges Wissen.

Das Schöne am Lesen ist das ständige Stolpern über Wörter, die sich einem plötzlich in den Weg stellen, woraus sich nicht selten ein heiterer Gedankenaustausch ergibt. Nervig nur der zwanghafte Wille, das Gefundene umgehend, am besten noch nestwarm, in die Öffentlichkeit zu posaunen. Welche Gnade ist da der Blog! Ein einfacher Klick auf den „veröffentlichen“-Button und – schwupp! – ist das Gefundene in der Welt!

So wie folgende soeben erblätterte Wahrheit:
Das französische Wort „rossignol“ heißt auf Deutsch 1. Nachtigall, 2. Ladenhüter und 3. Dietrich.


"Es war der Dietrich und nicht die Lerche."

Über Zusendung weiteren lustigen Wissens aus der handverlesenen Leserschaft tät sich diebisch freuen:

Pandoria

Dienstag, 30. Mai 2006

Liebe Zielgruppe! Ach nein, das ist geklaut. Also dann: Liebe post-postmoderne Trotzdem-Spaßgesellschaft!

Man sollte öfter Kontoauszüge suchen. Vorausgesetzt, man bewahrt sie in Kruschtelkisten auf. Da findet man mitunter nämlich tolle Sachen: kleine, rote Doppeldeckerbusse aus Hartgummi zum Beispiel. Oder einen Kringel Stricknadeln, noch immer eingeschweißt in ein unschönes Gehäuse aus Plastik und Pappe. Sogar einen Zirkel findet man, wenn man Glück hat. Und wenn man dabei traurige Musik hört (z.B. "le facteur" von Georges Moustaki), erinnert man sich vielleicht daran, dass es mal ein Zeit gab, in der es wichtig war, Löcher in Karopapier zu stechen und diese dann vorsichtig in bestimmten Abständen zu umkreisen. Immer wieder aufs Neue. Wozu nochmal? Man hat's vergessen.

Unter einer Postkarte, auf der Howard Carpendale zum Blutspenden aufruft, fand ich schließlich auch eine Liste mit Lieblingszitaten. Daraus hier ein kleines Best Of:


Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?
(Dany Levi, Regisseur)

Man soll die Helden feiern, wie sie fallen.
(SZ-Streiflicht)

Das wär ein echter Schweinehund,
dem je der Sinn für Heine schwund.
(Erich Mühsam)

Die Freiheit stirbt an ihrer Verteidigung.
(Thomas Mann)

Ich pass partout in keinen Rahmen.
('Guschdi', Bruder von Sabine K.)

Satire darf alles – nur nicht langweilen.
(Kurt Tucholsky)

Das Leben ist ein Geschenk, drum schau ihm nicht ins Maul.
(Kerstin Kleen aka 'tinifeliz')

Nous avons toute la vie pour nous amuser,
nous avons toute la mort pour nous reposer.
(Georges Moustaki)

Ich bin doch die beste Christin:
nutze nicht mal die Kirchenbänke ab!
(Omi)

Dein Lachen kitzelt mein Innenohr.
(Sven Regener)

Sonntag, 28. Mai 2006

Perle des Tages.

Wenn man sich nicht nur erfolgreich, sondern auch effektiv vor der Arbeit drücken will, surft man am besten im Internet (bevor man in die Sonne geht). Denn da stößt man mitunter auf wahre Perlen, Perlen wie diese: www.1000taler.de

Samstag, 27. Mai 2006

Zwei Fragen.


Frage 1:
Wenn die VORSTELLUNG, einen ganzen Tag lang, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, in einem hellgrünen Laubwald dem Tanz der Lichtflecken auf dem Moosteppich zwischen den Stämmen zuzusehen, vollkommenes Glück bedeutet – würde man sich, in WIRKLICHKEIT, nach einer Stunde in diesem Wald langweilen? (Wenn ja, warum?)

Frage 2:
Wenn die VORSTELLUNG, sich im Niemandsland zwischen fliegenden Orten kopfüber in ein hellgrün glasiges Feld zu werfen, vollkommenes Glück bedeutet – würde man, in WIRKLICHKEIT, mit wackeligen Knien durch eine Vorortsiedlung waten? Und, wenn ja: Warum?

Donnerstag, 25. Mai 2006

Hirschragout mit Crème brûlée.

Zur Abwechslung mal wieder eine SCHÖNE Geschichte. Eine Geschichte, die das Leben schrieb:
Ein armer Tropf verlor seinen Fahrradschlüssel, so dass er gezwungen war, sein eigenes Rad mit der Bolzenzange vom Schloss zu befreien. Das sah die Polizei. Schnell von Begriff, wusste sie die international gültige Chiffre „Mensch mit Bolzenzange an Fahrradschloss“ zu deuten und zerrte den vermeintlichen Dieb aufs Revier.



Alles Beteuern des Unglücksknackers, dass es sich bei dem Fahrrad um SEIN EIGENTUM handele, war für die Katz! Die freute sich umso mehr, als sich nach einem raschen, zweistündigen Datencheck herausstellte, dass das fragliche Fahrrad als („Hab ich’s dir nicht gesagt, Erwin!“) gestohlen gemeldet war. Für die Polizei ein gefundenes Fressen - ein Hirschragout mit Crème brûlée, gewissermaßen. So viel geballtes Glück schreitet selten über die abgewetzten Lenoliumstufen eines durchschnittsdeutschen Polizeireviers: Fahrradknacker samt doppelt gestohlenem Diebesgut auf frischer Tat ertappt – am Schutzblech noch die Perlen frischen Angstschweißes!
Der arme Tropf, den wir getrost Besitzer nennen dürfen, auch wenn’s keiner glaubt, versicherte bis zum Eintritt der Dunkelheit, dass er das Fahrrad RECHTMÄSSIG erworben habe, wenn auch mit recht mäßigem Erfolg. Wie lange es dauerte, bis die Polizei, überzeugt oder übermüdet, den Fahrradknacker schließlich frei ließ, ist nicht überliefert.

(Plot sponsored by Iwan D.)

Montag, 22. Mai 2006

Lebenskunde.
Heute: Die Welt und ich

?: Was muss man tun, damit die Welt einen mit Namen begrüßt?
!: Zunächst muss man ihr in den Hintern treten.

© Jochen W.

Sonntag, 21. Mai 2006


Ich weiß nun, was schon war. Was noch kommt, will ich erfinden.
(Barbara Morgenstern)

Samstag, 20. Mai 2006

Richtige Wörter.

Aus der Hauptstadt kam gestern folgender Gedanke geflogen und hat sich auf meiner Festplatte eingenistet:
„Für manche Gemütszustände kann man eben, so sehr man auch sucht, wohl einfach nicht die richtigen Worte finden, dann ist es manchmal besser, es gar nicht erst zu versuchen oder eigene zu erfinden.“

Das ist eine These, die man mit Messer und Gabel essen muss! Und schon liegen drei saftige Stücke auf dem Teller:

Brust: Für manche Gemütszustände kann man (...) nicht die richtigen Worte finden,
Flügel 1: dann ist es (...) besser, es gar nicht erst zu versuchen oder
Flügel 2: eigene zu erfinden.

Zu 'Brust':
Diese Erkenntnis darf wohl ohne Umschweife als wahr bezeichnet werden.
Doch wie sieht es mit den Flügeln aus?

Zu 'Flügel 1':
Soll man nicht wenigstens VERSUCHEN, was geht?
Ich meine: Ja! Ein entschiedenes Ja!
Auch wenn es sehr wahrscheinlich ein fahler Abklatsch dessen wird, was man gerne sagen WÜRDE, wenn man KÖNNTE. Die Celans, Trakls und Rilkes sind nun mal dünn gesät, und das ist ja auch gut so. (In puncto Lebenstüchtigkeit sollte man sich ohnehin andere Vorbilder suchen, aber das soll hier nicht Thema sein.)
Mir scheint, als verkümmere im Schatten namens Ehrfurcht so manch zartes Pflänzchen, das, wer weiß, im Hirn des Sachbearbeiters ans Licht drängt. Doch missdeutet er dies unbestimmte Drängen als Midlifecrisis und trennt sich von seiner Frau. Und warum? Weil er nichts weiß von den Worten, die in ihm verborgen schlummern, die in ihm loderten, fände er nur die Streichhölzer. Sicher, er hat schon mal von Goethe oder so gehört, und auch Eichendorff ist ihm ein Begriff, aber das ist nicht sein Metier, darin kennt er sich nicht aus, das alles hat nichts mit ihm zu tun. So denkt er, der Sachbearbeiter.
Natürlich lauert – machen wir uns nichts vor - immer und überall die Gefahr, dass die alltagssprachlichen Wurfgeschosse das filigrane Gemütsgebilde jäh zerschmettern. Ich fürchte sogar, dass die meisten Geschichten, die das Leben schreibt, auf diese Weise enden: erschlagen von der Wucht der Wörter. (Vorausgesetzt, sie haben überhaupt je begonnen und wurden nicht aus Angst vor den Wörtern um ihr natürliches Recht auf Leben gebracht.)
Das Schlimme ist: Das alles geschieht meist, ohne dass wir was merken! Oder wenn wir was merken, dann ist es schon zu spät. Nicht selten passiert dies: Der Gedanke wächst und gedeiht, gläsern und zart, schillert im Schein der Morgensonne, wolkenlicht und elfengleich... Und dann, mit einmal Mal, aus der Ferne ein Dröhnen, das Dröhnen wird lauter, der Himmel verdunkelt sich und – peng! Das Wort schlägt auf! Und alles ist kaputt.

Zu 'Flügel 2':
s. Flügel 1! Ohne Umschweife wahr

Drum sei hier nicht länger herumgeplürt und sich in alle Roginten verhopft!

Donnerstag, 18. Mai 2006

Werthers Beste.

Eine meiner Lieblingsstellen in Goethes „Werther“ geht so:
„Man predigt gegen so viele Laster, (...) ich habe noch nie gehört, dass man gegen die üble Laune vom Predigtstuhle gearbeitet hätte.“ Das steht im Brief vom „1. Julius“.

Allein das Datum ist ein wahrer Ohrenschmaus: erster Julius. Julius! Ich plädiere vor allem anderen (Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg, Verlagerung der Fußball-WM 2006 nach Timbuktu, Einführung einer Schwafelmaut für alle heads of marketing affairs, denen der Globus Dorf ist, Handytelefonierverbot in meiner Nähe etc.pp) für die Wiedereinführung der Monatsbezeichnung „Julius“. Ferner bin ich für eine rasche Umsetzung von Werthers Idee, üble Laune mit Gottes Zorn zu strafen.
Die Welt wäre eine andere: Irans Präsident (Name verdrängt) hätte nichts mehr zu lachen, weil er nichts mehr zu fluchen hätte. Gleiches gilt für sein amerikanisches Alter Ego. Büttenredner würden endlich arbeitslos, da auch der Karneval seinen Sinn verlöre, denn die Sau würde das ganze Jahr über frei herumlaufen. Wirtschaftsforscher wären weg vom Fenster, weil sie nicht mehr vom Beichtstuhl kämen bei all den übel gelaunten Prognosen, die sie in ihrem Leben verbreitet haben, und eine Kampagne wie „Du bist Deutschland“ wäre nicht mehr länger nur rufschädigend, sondern, oh ja, gotteslästerlich! Denn Gott mag es nicht, wenn man ihm ins Handwerk pfuscht.
Lieber Papst, arbeite doch bitte gegen die üble Laune vom Predigtstuhle und überlass das nicht immer deinen Mainzer und Kölner Kollegen!
Bittet
Pandora

Natürlich ist auch die gute Laune, wie alles, eine Frage der Dosis, und kann bei übermäßigem Gebrauch unangenehme Nebenwirkungen hervorrufen.

Dienstag, 16. Mai 2006

Musenlimo I.

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Und die Musen küssen, wenn sie kommen. Sie sind sehr scheu. Musen sind Mimosen. Sie sind schnell beleidigt. Man muss sie höflich hereinbitten und ihnen was zu trinken anbieten. Ein Kölsch zum Beispiel. Oder eine Limo. Musen finden das lyrisch. Musen lieben lyrische Momente. Papperlapapp - Musen BRAUCHEN lyrische Momente. Deshalb, liebe Musen, habt ihr ab heute ein Eckchen in meinem Blögchen. „Musenlimo“ sei sein Name. Und schon geht’s los:

Musenlimo I.
Heute:

Mondes Schein



Sie hangeln sich von Ecke zu Ecke
durch das Gestrüpp getrockneter Sätze.
Der Mond kreuzt leise das Moosgemäuer.
Er hofft, dass er so ihre Sinne berauscht.

„Ich finde“, sagt er. Und sie sagt: „Ich auch.“
Dann reden sie weiter, als ob nichts sei.
Sie reden und reden und bald wird es hell.
Dem Mond tun sie leid. Was kann er bloß tun?

Sie hangeln sich weiter von Nacht zu Nacht
durch das Geäst verbogener Fragen.
Sie wüssten so gerne, doch das ist gefährlich.
Und bald wird es hell und der Zauber schwindet.

„Ich weiß nicht“, sagt sie. Und er sagt, „ja, ja.
Ob man noch irgendwo einen Kaffee -?“
Vor Freude möchte sie Luftsprünge machen,
doch sind ihre Schuhe ein wenig zu eng.

Sie müsse nach Hause, es sei schon spät,
und außerdem habe sie morgen zu tun.
Er nickt und versteht nicht
und winkt ihr zum Schein
des Mondes
Ein toter Arzt ist ein schlechter Arzt.

„Ein 47-jähriger Arzt hat in Erftstadt bei Köln seine Frau und seinen zehn Jahre alten Sohn erschossen. Danach nahm er sich selbst das Leben. Als Grund werden familiäre Probleme vermutet“, meldet die dpa.
Und ich melde: NEIN! SO NICHT!!
Liebe Mediziner, ihr dürft jetzt nicht die Flügel hängen lassen und eure Familien erschießen, nur weil die Tarifverhandlungen gescheitert sind! Was sollen wir denn von euch denken?
Ihr könnt in die Isar steigen, ja, aber bitte kommt auch wieder raus! Wir brauchen euch! Lebendig! Stark! Kämpferisch!
Und außerdem: Wie sähe das denn aus, wenn all eure Die- Schulmedizin-geht-baden-Schilder zwischen euren toten Körpern die Isar hinabtrieben?
Die Message würde wohl rüberkommen. Allein – wozu?
Kann schon sein, wer weiß, vielleicht würde sich die Tarifgemeinschaft der Länder, gerührt über so viel Opferbereitschaft, doch noch zu einer Lohnsteigerung breitschlagen lassen. Oder zu einem Stück Kuchen, als Ersatz fürs gestrichene Weihnachtsgeld. Aber IHR hättet nichts mehr davon.
Wollt ihr das? Wollt ihr wirklich lieber als Märtyrer sterben, anstatt als Helden in Weiß auf dem Siegertreppchen der Gerechtigkeit umjubelt zu werden? - Eben!
Also: Nicht schießen - kämpfen!

rät euch
Pandora

Samstag, 13. Mai 2006

Gebärpflicht.

„Meinten Sie: Gebührenpflicht?“, fragt mich Google, wenn ich das Wort „Gebärpflicht“ in die Suche eingebe. Meinte ich eigentlich nicht, ist aber auch hübsch.
Überhaupt mag ich es, wenn Google mir fortwährend Alternativen vorschlägt, die so ähnlich klingen wie das, was ich will.
Man sollte das ausbauen. Man sollte das ins echte Leben einführen. Mitten rein in die Dienstleistungsgesellschaft!
„Meinten Sie: Merlot?“ früge mich dann der Barkeeper, wenn ich einen
Pernod bestelle. Und sofort entspönne sich ein netter Plausch über Anbaugebiete und Rebsorten. Am Bahnhofsschalter offerierte man mir alles, was sich auf „Bremen“ reimt, und beim Bäcker hieße es zuvorkommend: „Meinten Sie: Brut?“ Wer weiß, vielleicht würde ich es mir, so gefragt, noch einmal überlegen.
Dass man ein Kind nicht backen kann wie ein Brot, sollte einen nicht abschrecken. Immerhin ist es ja SO ÄHNLICH. Dauert nur länger. Aber im Prinzip? Nur die Gebührenpflicht, die ist bei der Anschaffung eines Kindes natürlich höher als beim Erwerb eines Brotes. Aber: Einen geregelten Broterwerb vorausgesetzt, dürften die paar Extrastullen, die das Kind im Laufe seines Lebens verzehrt, nicht sonderlich ins Gewicht fallen.
So. Und was ist jetzt mit „Gebärpflicht?“

Donnerstag, 4. Mai 2006

Birgit mit den rosa Söckchen.

Der Karlsruher bzw. die Karlsruherin zeichnet sich neben einem unverkennbar baaaaaadischen Zungenschlag (wobei die Dynamik des Wortes „Zungenschlag“ angesichts der heillos überdehnten Vokale nicht so recht passen mag. Drum sei „Zungenschlag“ flugs ersetzt durch „Dialekt“ oder besser noch durch „Mundart“) durch einen Kleidungsstil aus, den man nur schwer beschreiben kann, weil er quasi nicht existiert. Die wahllose Mischung knisternder Textilien aus Kaufhäusern mit Namen des Typs „Großbuchstabe & Großbuchstabe“ verlangt von der empfindlichen Netzhaut ein Höchstmaß an Toleranz. Dass der Karlsruher bzw. die Karlsruherin die willkürlichen C&A-, H&M-, K&L-Konfektionskompilationen mit geradezu weltbürgerlichem Stolz spazieren führt, (wovon neben viel zu lautem Telefonieren mit übertrieben abgespreiztem Ellenbogen kühne Spiegelglas-Sonnenbrillen, Zungenpiercings und glibbrige Irokesenverschnitte zeugen, derer man sich andernorts längst schämt) macht alles nicht besser.

Nun kann man sich getrost über derlei Geschmacksirrungen lustig machen, so lange es sich um Menschen zumeist jugendlichen oder doch zumindest eines jungen Erwachsenenalters handelt, denn diese Menschen haben ihr Leben i.d.R. noch vor sich und können eine verbale Kaltdusche gut verkraften – zumal sie, Dauer-Caipi-gedopt und lesefaul, ohnehin nichts davon mitbekommen. Wirklich schlimm wird das alles erst ab einem gewissen Alter. Sagen wir ab fünfzig.

Gerade eben sah ich in der Fußgängerzone eine Frau um die fünfzig, zerzauste, fahl gelbe Dauerwelle, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen eine Plastiktüte, mit welcher der Wind seine Spielchen trieb. Nennen wir sie Birgit.

Zur pinkfarbenen Caprihose trug Birgit ein orangenes Flatterhemd, was an sich ja noch kein Grund zur Sorge wäre. Doch der Anblick ihrer großen Füße, die sie zuerst in rosa Nylonsöckchen und dann in weiße, offene Pantoletten gepackt hatte, stimmte mich traurig. ‚Diese Frau hat niemanden, der ihr sagt, dass man so nicht aus dem Haus gehen kann’, dachte ich. Und ich stellte mir vor, wie sie morgens in die Firma geht, wo sie dreimal die Woche sauber macht. Den Instantkaffee hat sie wieder nur zur Hälfte ausgetrunken, weil ihr Magen den Kaffee eigentlich nicht verträgt. Trotzdem will sie auf diesen kleinen täglichen Genuss nicht verzichten, denn ihr Leben ist arm an Genüssen und reich an Entbehrungen. Zum Glück weiß sie das nicht. Sie hat keinen Mann mehr, und auch die Kinder sind für sie so gut wie gestorben. Wenn sie einmal im Jahr zu Besuch kommen, natürlich an Weihnachten, ziehen sie lange Gesichter, weil es nicht der Original-i-pod ist, sondern ein Imitat in Silbergrau („total uncool!“), und dabei ihre Handys aus der Hosentasche, weil sie nur eines wollen: weg! Sie verabreden sich mit ihren Freunden, um ihren Frust mit Alkopops zu löschen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Das allerdings weiß auch Birgit. Doch mit wem außer dem Fernseher sollte sie ihr Leid teilen? Und welches Leid überhaupt? Der Tag geht, wie er gekommen ist. Wie alle Tage kommen und gehen: lautlos, gedankenlos, schmerzfrei. Ab und an ein Magenstechen. Sobald draußen die Sonne scheint, kommen die weißen Pantoletten und die pinkfarbene Caprihose aus dem Schrank. Und die rosa Söckchen von letztem Sommer müssen auch irgendwo sein...

Mittwoch, 3. Mai 2006

Blaue Blume statt grüner Helme!

Gestern erzählte mir ein Freund eine Geschichte, die so schön ist, dass sie aufgeschrieben werden muss. Noch dazu, da sie vom Schreiben handelt! Vom Schreiben und von großen Gefühlen. Genauer: vom Entstehen großer Gefühle beim Schreiben. Also: von Poesie!
Die Rede ist von einem Verweigerungsschreiben.


Nun gehören jene Texte, die sich junge Männer im Wehrpflichtalter aus den Fingern saugen, um sich gegen eben jene „Pflicht“ zur Wehr zu setzen, nicht gerade zu den ersten Assoziationen, die einem durchs Hirn rauschen, wenn das Wort „Poesie“ das Hämmerchen im Ohr passiert. Und doch...

Aber nun endlich zur eigentlichen Geschichte! Sie ist schnell erzählt und geht so:
Als für den Freund die Zeit gekommen war, da man von ihm verlangte, sich in oliv zu kleiden, das Gewehr zu schultern und fortan nur noch brüllend zu konversieren, setzte er sich an den Schreibtisch, willens, seinem Vaterland kundzutun, dass es unter diesen Umständen auf seine Dienste leider werde verzichten müssen. Er schrieb alles nieder, und der traurige Aspekt der Geschichte ist, dass jener Text für immer verschollen ist. Es muss ein besonderer Text gewesen sein. Denn, so erzählte der Freund, er schrieb und schrieb, und je länger er schrieb, desto mehr rührten ihn die eigenen Worte ans Herz, so dass ihm gegen Ende tatsächlich die Tränen in die Augen stiegen. Womöglich ist gar eine der Tränen aufs Papier getropft! Ich bin sicher, der Adressat dieses Schreibens hat bei der Lektüre sein Sturmgewehr niedergelegt, ein Taschentuch gezückt und sich damit verstohlen seinerseits eine Träne aus dem Augenwinkel gewischt – gerade noch rechtzeitig, bevor Oberleutnant Hasenwickel (oder wie auch immer Oberleutnants heißen mögen) zur Tür hereingepoltert kam und zum Marsch blies. Allerdings ist dieser Teil der Geschichte so nicht überliefert und bleibt daher reine Spekulation.

Was außerdem bleibt, ist die gute Nachricht für alle (männlichen) Schüler, dass man nicht unbedingt Goethes Werther gelesen haben muss, um zu verstehen, was der Deutschlehrer meint, wenn er von „Sturm und Drang“ spricht. Es reicht schon ein Stück mit glühender Feder geschriebene Wehrdienstverweigerungsprosa. Obwohl es natürlich nie verkehrt ist, den Werther zu lesen. (Frauen finden das nämlich in hohem Maße sexy!)

Dienstag, 2. Mai 2006

Vanessa Russenschuck.

Vanessa Russenschuck ist nach Bärbel Faltermayer, jener multipel begabten Kreuzung aus Mutter Beimer und Schneewittchen, das zweite Software-Testimonial vom Typ „patente Hausfrau“, das in diesem Blog gewürdigt wird.



Anders als Bärbel Faltermayer, die Microsoft zuliebe hauptberuflich Zahnärztin ist, heißt es von Vanessa Russenschuck, dass sie sich als Hundezüchterin mit Schwerpunkt „Deutsche Doggen von der Rödermark“ verdinge. Die seien ihre ganze Leidenschaft. Und dank „Homepage-Starter“ von T-online hat diese Leidenschaft nun einen Ort im Internet: die Homepage von Vanessa Russenschuck "und ihrer Familie“.

Wie schon bei Bärbel Faltermayer hielten die Werber es auch bei Vanessa Russenschuck für angebracht, die Familie mit ins Spiel zu bringen (Wertedebatte! Gebärpflicht! Methusalemkomplott!), wenn auch nur als kurze Randbemerkung und ohne Bild. Dafür ist Vanessa Russenschuck, verglichen mit Bärbel Faltermayer 1. Beleibter, 2. Bebrillter und 3. ungleich schlichter gewandet. Dabei hätte der blütenweiße Überwurf viel besser zu Zahnärztin Faltermayer gepasst! Im Gegenzug hätten deren gülden-lilafarbene Gewänder der Hundezüchterin einen Hauch von Glamour verliehen, der sich mit der Rassigkeit ihrer Rödermarkdoggen sicher zu einem reizvollen Gesamtbild gefügt hätte.

So aber bleibt Vanessa Russenschuck im Vergleich zu Bärbel Faltermayer enttäuschend blass. Lediglich beim Namen haben sich die Werber erkennbar Mühe gegeben. Und zusammen mit dem Hinweis „pro Monat 4,95 Euro“, der über ihrem Leib prangt, kommt doch noch das ein oder andere Quäntchen werbewirksamer Verruchtheit auf: Wessen Phantasie würde nicht durch eine Hundezüchterin angeheizt, die für 4,95 Euro im Monat professionell Russen schuckt?

Donnerstag, 27. April 2006

Tschernobyl 20+1. Ein Nachdruck.

Heute ist der 27. April 2006. Zwanzig Jahre und ein Tag nach Tschernobyl. Weil jeder GESTERN der Katastrophe gedachte, will ich es HEUTE auch nicht tun, sondern ein zutiefst wahres UND dabei noch schönes Gedicht zum Thema von Eugen Roth nachdrucken.
Hier ist es:

Das Böse

Ein Mensch, was noch ganz ungefährlich,
erklärt die Quanten (schwer erklärlich).
Ein zweiter, der das All durchspäht,
entdeckt die Relativität.
Ein dritter nimmt, noch harmlos, an,
Geheimnis stecke im Uran.
Ein vierter ist nicht fernzuhalten
Von dem Gedanken, kernzuspalten.
Ein fünfter – reine Wissenschaft! –
Entfesselt der Atome Kraft.
Ein sechster, auch noch bonafidlich,
will sie verwerten, doch nur friedlich.
Unschuldig wirken sie zusammen:
Wen dürfen, einzeln, wir verdammen?
Ist’s nicht der siebte oder achte,
der Bomben dachte und dann machte?
Ist’s nicht der Böseste der Bösen,
der’s dann gewagt, sie auszulösen?
Den Teufel wird man nie erwischen:
Er steckt von Anfang an dazwischen.

Dienstag, 25. April 2006

Senta, die Glücksspirale.

Wenn man derzeit in einem ICE von beispielsweise Kassel nach beispielsweise Gießen sitzt (wobei die Frage, ob in Gießen tatsächlich ICEs halten, hier keine Rolle spielen soll), blickt man unweigerlich in das Gesicht von Senta Berger. Von der Rücklehne des Vordermannes strahlt sie einen an, ob man will oder nicht. Man will natürlich nicht. Man will wegsehen. Doch auch im Netz des Nachbarn hängt Frau Berger, genauso wie in allen Netzen aller Rücklehnen innerhalb des Gesichtsfeldes. Man hat einfach keine Lust auf Senta Berger, man findet sie langweilig und doof, wie Frank Elstner etwa. Oder wie die Glücksspirale. Man wundert sich, wieso man auf einmal genervt ist, wo sie einem doch gar nichts getan hat. Diese Frau hat es über viele Jahrzehnte hinweg geschafft, ihr Langweilig- und Doof-Sein als „Natürlichkeit“ zu verkaufen. Verdient das nicht ungeteilten Respekt?

Nein! Genausowenig, wie Uschi Glas oder Claus Hipp unseren Respekt verdienen, wobei - Halt! Claus Hipp steht für die Qualität der Gläscheninhalte wenigstens mit seinem Namen. Was man von der „Anna Maria – eine Frau geht ihren Weg“-Mimin nicht behaupten kann - oder vielleicht doch?



Egal! Zurück zu Senta Berger. Ja, Senta Berger ist recht eigentlich die Fleisch gewordene Glücksspirale. "Deutschlands Lotterie mit den höchsten lebenslangen Rentengewinnen" (Eigenaussage) beschert dem, der es zulässt, wöchentlich "die Chance auf ein 'Leben nach Lust und Laune'“. Ähnlich ist es mit Senta Berger: Lust und Laune auf Lebenszeit. Vermutlich prangt sie deshalb seit Jahrzehnten auf jeder zweiten TV-Zeitschrift und mit zunehmender Fältchenbildung auch immer häufiger auf sog. „Kundenmagazinen“. Im April tut sie das sogar auf (mindestens) zwei verschiedenen! Neben der Deutschen Bahn und ihrer Fahrgastpublikation „DB mobil“ glaubt auch der Drogeriewarenhändler dm mit dem Heft „alverde“, seine Attraktivität Senta-Berger-gestützt zu steigern.

In Anbetracht unserer überalterten Gesellschaft, die, glaubt man den Experten (und das sollte man unbedingt und unter allen Umständen!) bald nur noch aus Kirschkompott löffelnden Lesern der „Methusalemkomplott“-Großdruckausgabe besteht, mag Senta Berger als Attraktor für potenzielle Kunden und Kundinnen durchaus sinnvoll sein.

Aber was ist mit uns, den sog. „jungen Erwachsenen“? Wie lockt man UNS? Mit Senta Berger jedenfalls nicht. Aber das ist den Marketingstrategen ganz offensichtlich egal. Wahrscheinlich haben sie uns längst abgeschrieben. Wieso soll man sich auch als erfolgsgesteuerter Marketingfachmann mit einer Zielgruppe befassen, deren Kaufkraft so groß ist wie die ihrer ungeborenen Kinder? Ich vermute, es ist so: Die „Generation Praktikum“ ist für Kundenmagazine schlichtweg nicht interessant. Da sie wieder bei den Eltern eingezogen ist und mit gefälschtem Studentenausweis in der Mensa speist, taugt sie allenfalls als Diskussionsgegenstand von Feuilletonisten und/oder Soziologenstammtischen.



Sie ist ja auch so genügsam, die heutige Dreißigerzone! Euphorisierbar schon durch die simpelsten Tricks wie etwa die Neuauflage von Süßigkeiten, die ihnen schon damals nicht geschmeckt haben, in so genannten "Nostalgie-Wundertüten" (s. aktuelles Sortiment von Aldi Süd). Ein paar Liebesperlen, ein bisschen Esspapier und zuckerhaltige Spielzeug-Armbanduhren aus in Tablettenform gepresster, pastellfarbener Stärke, und schon geraten die großen Kinder in Verzückung, wie damals, als Timm Thaler es endlich geschafft hatte, sein Lachen vom bösen Baron zurückzukaufen.

Aber zurück zu Glücksspirale Senta Berger: orangene Haarpracht, perlweiße Photoshop-Zähne, ein paar sympathische Lachfältchen um Mund und Augen, die der Art Director stehengelassen hat, denn, „hey, diese Frau steht zu ihrem Alter – genau wie unsere Kundinnen, aber bittschön in Grenzen, denn wir müssen ja auch an den Umsatz der Feuchtigkeitsfluids und Fruchtsäurecremes denken.“


Senta Berger - eine „reife Frau“, die im Interview so wunderbare Sätze spricht wie:
„Ich glaube, es gibt mich schon sehr lange und ich bin für viele Frauen schon da gewesen, als sie gerade mal im Teenageralter waren. Und jetzt gibt es mich immer noch. Da ist eine Art Vertrauen entstanden.“

Das ist es! "Vertrauen" heißt seit jeher das Zauberwort erfolgreichen Schaumschlagens, und die Corporate Publisher haben das Potenzial der Berger als vertrauensbildende Maßnahme, als Kundenbindungsinstrument früh erkannt. Sieh, Kunde, unser Unternehmen ist genau wie Senta Berger: seit Jahrzehnten im Geschäft, für viele schon da gewesen, als sie gerade mal im Teenageralter waren. Und jetzt gibt es uns immer noch.

Fragt sich nur, wann der ADAC oder die Commerzbank Senta Berger auf die Titelseiten ihrer Kundenzeitschriften setzen. Oder wann Frank Elsner seinen Job als Glücksbringer der Nation an den Nagel hängt. Lang kann’s eigentlich nicht mehr dauern.

Samstag, 8. April 2006

Psychohandy. Mein Handy weiß alles!

Dass die Entwicklung technischer Geräte, insbesondere auf dem Telekommunikationsmarkt, der mentalen ihrer Nutzer meilenweit voraus ist, ist ein Gemeinplatz, der einer eingehenderen Erörterung eigentlich unwürdig ist. Halt! „Unwürdig“ ist ein großes Wort, und große Worte sollen sorgfältig überdacht werden – ob Spitzgiebel- oder Flachdach sei dahin gestellt, und wer jetzt fragt „wohin denn?“, hat bewiesen, dass ihm auch mit dem gesamten Bestand der bei GU erhältlichen Gehirnjoggingtrainer nicht zu helfen ist.

Ein beliebtes Fleckchen auf o.g. Gemeinplatz ist der rasante Generationswechsel unter den Mobiltelefonen vulgo „Handys“. Kaum haben wir uns daran gewöhnt, dass wir mit den „Handys der neuen Generation“ fotografieren und kleine Filme drehen können, da kommt schon die nächste Generation und kämpft um Aufmerksamkeit, indem sie mit Spruchbändern und Schellenkränzen gegen den „Muff von tausend Jahren“ rebelliert, dass Rainer Langhans sich vor Neid die Haare raufen würde, wenn sie nicht sowieso schon dauergerauft wären.


So. Nun aber zur Sache. Gestern wurde ich Zeuge einer Demonstration nahezu grenzenloser Überlegenheit der Technik gegenüber der Psychologie.

Ich trabte am späten Nachmittag durch die Karlsruher Fußgängerzone. An den Drehständern hingen wie immer die Kleiderbügel voll Polyesterkonfektion, und da die Sonne frühlingshaft vom Himmel schien und die Beats am Vorabend nichts zu wünschen übrig gelassen hatten, klebten mir ausnahmsweise mal keine Bleikugeln an den Füßen, wie sonst beim Durchqueren deutscher Fußgängerzonen. Ich ließ meine Gedanken wandern und protestierte nicht, als sie sich bei einem Freund von mir niederließen, dessen Name hier nichts zur Sache tut. Geistesabwesend kramte ich in meiner Tasche nach meinem Fahrradschlüssel, als ich auf einmal sah, wie mein Mobiltelefon aus freien Stücken und völlig selbstständig eine Verbindung zu eben jenem Freund aufbaute, bei dem meine Gedanken gerade picknickten! „Mein Handy kann Gedanken lesen!“, dachte ich nicht ohne Bewunderung für das schlaue Gerät, zu dem ich ansonsten ein eher gespaltenes Verhältnis habe. Doch anstatt es gewähren zu lassen, brach ich die Verbindung schnell ab. Wie hätte ich dem Freund erklären sollen, dass nicht ich, sondern mein Gedanken lesendes Handy soeben seine Nummer gewählt hatte? -

Ich wette, man hat mir aus Versehen den Prototyp der neuen Handygeneration verkauft.


Statt zum Erwerb eines Automaten-Energiesteins in einer piefigen Walmart-Filiale rate ich lieber zum Kauf eines Psychohandys.

Montag, 3. April 2006

Forderungsmanagement: Aktenzeichen XY.

Vorgestern öffnete ich ein bemerkenswertes Schreiben. Eine so genannte „InFoScore Forderungsmanagement GmbH“ mit Sitz im (von Karlsruhe aus) benachbarten Baden-Baden hatte offenbar das Bedürfnis, mit mir zu kommunizieren. Ich ließ sie gewähren und öffnete den Briefumschlag.

„Forderung: ARCOR AG & CO.KG“ lautete die fett gedruckte Überschrift.
Ich war erstaunt, dass die Firma ARCOR sich immer noch mit mir befasste - wenn auch nur indirekt über geheimnisvolle Forderungsmanager, die man sich vermutlich so vorstellen muss wie die grauen Herren bei Momo. Dass ich meinen Vertrag bereits im Dezember vergangenen Jahres ordnungsgemäß gekündigt hatte, da es ARCOR binnen drei Monaten nicht gelungen war, einen funktionstüchtigen Festnetzanschluss in meiner Wohnung einzurichten, hielt die Forderungsmanager bzw. deren Auftraggeber ganz offensichtlich nicht davon ab, Forderungen zu stellen. Respekt!


„Sehr geehrte Frau G.“, hieß es da. „Ihre Gläubigerin hat uns mit dem Einzug der überfälligen Forderung beauftragt.“ Moment! ICH hatte eine GLÄUBIGERIN?! Eine Mischung aus Stolz und Vorurteil gegenüber halsabschneiderischen Telekommunikationsanbietern und deren Verbündeter bemächtigte sich meiner. Eine Gläubigerin hatte ich noch nie gehabt, genauso wenig wie einen Gläubiger, und im Betreten von Neuland liegt ja meistens ein nicht zu gering zu bewertender Reiz, es sei denn, es handelt sich um ein Sumpfgebiet im Norden von Weißrussland. Ob es dort tatsächlich Sumpfgebiete im geografischen Sinn gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, und im Augenblick bin ich zu faul, den dicken wissen.de-Atlas aus dem Regal zu ziehen, und außerdem reicht ein Blick in dieses wunderbare Kartografenwerk und ich verliere mich die nächsten zwei Stunden in virtuellen Reisen um den Globus, manchmal auch auf den Mond oder zum Mars. Und solch schwärmerischer Luxus ist jetzt nicht am Platze! Schließlich geht es um nichts weniger als den Start meiner kriminellen Karriere!!

Um es kurz zu machen: Die „überfälligen Forderungen“ belaufen sich auf insgesamt Euro 193,05. Von ARCOR geleisteter Gegenwert:
- Ca. 7,5 Stunden Warteschleifenmusik
- mindestens 5 E-Mails des Inhalts „Da wir von Ihnen nichts mehr gehört haben, gehen wir davon aus, dass das Problem jetzt behoben ist“ (dass gar nichts behoben war, hatte ich wiederholt erörtert, sowohl gegenüber dem geschundenen Callcenter-Mitarbeiter als auch per E-Mail, was ARCOR aber nicht zu interessieren schien)
- 1 Besuch eines Telekom-Mitarbeiters (immerhin!), der mir kurz nach Vertragsunterzeichnung die nötigen Plastikkästchen für den DSL-Anschluss aushändigte, was sich im Nachhinein als die einzige sichtbare Anstrengung von ARCORs Seite herausstellte.

Da also die vereinbarte Dienstleistung (Einrichtung eines funktionierenden Festnetzanschlusses) von ARCOR nie erbracht wurde, haben auch die so genannten „Forderungen“ entsprechend abstrakte Namen. Sie heißen:
1. Hauptforderung: DIENSTLEISTUNGSVERTRAG (tatsächlich in Majuskeln!)
2. Verzugszinsen vom so-und-so-vielten, so-und-so-vielten, usw.
3. BISHERIGE MAHNAUSLAGEN UNSERER PARTEI
4. INKASSOKOSTEN INKL. KONTOFÜHRUNGSGEBÜHR
5. BEREITS ERFOLGTE ZAHLUNGEN
6. Ermittlungskosten
7. Gesamtforderung
Virtueller geht es wirklich nicht. Abgesehen von dem willkürlichen Wechsel von normaler Typo zu Großbuchstaben, dessen Sinn sich mir noch immer nicht erschließt, gilt dem zuständigen Kreativen mein ganzer Respekt für die Naming-Entwicklung. Wo auch immer er beschäftigt sein mag, ob bei ARCOR oder bei InFoScore, ich bin mir sicher, ihm steht eine glänzende Karriere im Bereich „Kreation“, Unit „Text“, Subunit „Naming“, Subsubunit „Naming virtual finances“ bevor.

Und weil so viel Kreativität abfärbt, habe ich mich entschlossen, die virtuellen Dienstleistungen mit den fantasievollen Namen ebenso virtuell zu entlohnen. Das bin ich meiner Gläubigerin schuldig!

Montag, 27. März 2006

Anzeige.

Den wenigen, dafür aber erlesenen Lesern dieses Blogs (böse Zungen behaupten, man müsse sie mit der Lupe suchen, doch wer ist schon im Besitz einer Lupe?) wird nicht entgangen sein, dass ich gerne auf eine Seite mit Namen tastafari hinweise, für die eine gewisse Tinifeliz verantwortlich –NEIN, nicht ZEICHNET, sondern IST.
Einschub: Wann, wenn nicht jetzt, sei’s endlich gesagt: „Verantwortlich zeichnen“ tun ausschließlich "Malen-nach-Zahlen"-Künstler, Steuersystementwerfer und doofe Journalisten. Einschubende.
Eben jene Tinifeliz, die hin und wieder auch diesen Blog mit einem ihrer klugen Kommentare bereichert (siehe z.B. das nachrevolutionäre Rentnerpferd), wies mich auf die nagelneue Seite ihres Herrn Papa (!) hin, der im Rahmen verschiedener Katzenkonferenzen in lockerer Folge eine beeindruckende Zahl von Nägeln so auf die Köpfe trifft, dass in den Riegen der Katzenpolitiker unseres Landes die nämlichen rollen wie weiland auf den Champs Elysées. Robespierre würde vor Neid vergilben, hätte er nicht längst französischem Gewürm als Neun-Gänge-Menü gedient! Er würde mit einem lauten „Paaaah!“ die verrostete Guillotine dem Mob überlassen und seine Gegner fortan nur noch bloggend enthaupten.

Mittwoch, 15. März 2006

Zeitdiagnostische Souveränität - Aaaaaah!

Meine im vorigen Beitrag geschilderte Begegnung mit Peter Sloterdijk hatte nicht etwa zur Folge, dass ich mich in die Schlange am Ausleihschalter der vorzüglichen Badischen Landesbibliothek eingereiht hätte, um ein Bändchen des kühn frisierten Philosophen nach Hause zu tragen. NOCH nicht. Zunächst zog ich es vor, mich dem Superhirn mit Hilfe eines anderen Superhirns zu nähern: mit meinem Computer. Auf www.petersloterdijk.net fand ich dann unter vielen anderen sicherlich exorbitanten Texten eine hinreißende Abhandlung über „Weltmanagement im Kommunikationszeitalter“. Untertitel: „Stichworte zur Suche nach zeitdiagnostischer Souveränität im aktuellen Weltbildbruch“.
War’s das verheißungsvoll sinnstiftende Wort „zeitdiagnostisch“ oder doch eher der apokalyptische „Weltbildbruch“ – ich weiß nicht, warum ausgerechnet dieser Text in meine ganz persönliche Sloterdijk-Rezeptionsgeschichte als Initialzündung eingehen wird. Hier ein paar der schönsten Zitate aus eben jenem Sittengemälde unserer so genannten „Informationsgesellschaft“:


„Alle menschlichen Gesellschaften stehen vor dem Problem, die Intelligenz ihrer Mitglieder in fruchtbaren Koalitionen miteinander zu verknüpfen. (...) Aus der conditio humana selbst folgt, dass Menschen ihre begrenzten Intelligenzen so miteinander kombinieren sollten, dass sie gemeinsam klüger würden.“ (Anm.: Wozu gibt es Blogs!)

„Ein Team definiert sich eben dadurch, dass der einzelne in ihm zusammen mit anderen klüger wird.“ Ein paar Sätze weiter folgt die Anleitung zum Selbsttest: „Wenn Sie zusammen mit anderen klüger sind als allein, so sind Sie ohne Zweifel in einem Team. Sind Sie allein klüger als mit anderen, so sind Sie in Gesellschaft.“ (Anm.: Tinifeliz, ich meine, wir sind hier ganz eindeutig in einem Team, oder?)

„Man könnte die Menschheitsgeschichte summarisch charakterisieren als einen Prozess zunehmender Belastung der einzelnen durch steigende Informiertheit. Dies wird verständlich, wenn man weiß, dass Aufklärung ein Prozess ist, der unzählige Informierte in Verlierer verwandelt, das heißt in bloße Rezipienten und Endverbraucher von belastender Information.“

Um nicht völlig an der Unverdaulichkeit der immer größeren Fülle an immer schrecklicheren Informationen zugrunde zu gehen, folgt einen Abschnitt weiter der Appell an jeden, „zeitdiagnostische Souveränität“ zu erlangen. Zeitdiagnostische Souveränität ist nach Peter Sloterdijk „die Anpassung des psychischen Immunsystems von handlungsmächtigen Individuen an die Lebensbedingungen hochverdichteter und hochbelastender Informationsumwelten“.

Dazu hilft es, sich folgendes zu vergegenwärtigen: „Die Kommunikationsmedien moderner Gesellschaften sind Systeme zur Kanalisation von verhaltenssteuernden Massenpaniken. Daraus folgt: Ihrem Grundzug nach arbeiten die Kommunikationsprozesse von Großgesellschaften nicht auf das zu, was man traditionell Aufklärung nennt; sie sind vielmehr wesensmäßig Verfahren der Panikregie.“ (Anm.: Aus aktuellem Anlass hier der Vorschlag an den Leser, die Vogelgrippe-Panikregie einmal näher zu studieren.)

Die Panikregie-These wird sodann wie folgt modifiziert: „Das Gefühl, in einer Normalwelt zu leben, wird heute vor allem produziert durch ein Mediensystem, das Informationen auf einer mittleren Bandbreite von nicht zu guten und nicht zu schlechten Nachrichten sendet.“ (Anm.: Weswegen die Panik mit schaurigen Informationen von der Sprunghaftigkeit des Erregers H5N1, der sich gestern in Schwänen, heute in Katzen, morgen in Hunden und spätestens übermorgen in Menschen einnistet, zunächst in kleinen Portionen geschürt wird, nur um gleich darauf mit dem kollektiven, in präsidialer Unverwüstlichkeit vorgetragenen Credo, dass dennoch „kein Grund zur Panik“ bestehe, relativiert zu werden.)

Ganz nebenbei nennt Sloti (so darf ich ihn wohl insgeheim nennen, nun, da ich ihm durch die gewissenhafte Lektüre wenigstens eines seiner Texte ein Stückchen näher gerückt bin) all jene Entscheider, die als Manager von global agierenden Unternehmen auf Wirtschaftstagungen und Fortbildungsseminare des höheren Managements gehen, unvergleichlich tiefblickend „Athleten des Hinnehmens von weiterbildendem Stumpfsinn“.

Sloti, du bist der Größte! Ich will mehr!!

Donnerstag, 9. März 2006

Endlich! Ich habe Peter Sloterdijk gesehen!

Endlich! Nach eineinhalb Jahren Karlsruhe ist es endlich passiert: Ich habe Peter Sloterdijk gesehen! Bisher hatte ich lediglich das Vergnügen, beim Spaziergang durch die Südstadt einen Ausschnitt von seiner Stirn zu sehen (hinter Fensterglas), aber was heißt hier eigentlich "lediglich"! Ist nicht die Stirn bei einem Philosophen das Hauptfeature? Ich meine, schon. Es würde ja auch keinem einfallen zu sagen: „Ich habe Pamela Anderson gesehen, aber LEDIGLICH ihren Busen!“ Allein – es zurückzunehmen fällt mir schwer, denn i.U. zum Busen von Pamela Anderson, der unbestritten die gültige DIN-Norm sprengt und allein dadurch Aufmerksamkeit erregt, unterscheidet sich die Philosophenstirn phänotypisch kaum von der Durchschnittsstirn eines x-beliebigen Mitteleuropäers. Weswegen ich den Anblick von Peter Sloterdijks Stirn auf einer Gefühlswallungsskala von eins („lässt mich völlig kalt“) bis zehn („Mein Riechsalz!“) bei maximal fünf verorten würde.
Mindestens bei acht, wenn nicht gar bei neun dagegen trüge ich das Ereignis von heute Mittag ein! Deswegen sei es hier kurz skizziert:
Ich überquere gerade den windigen, nieselregenüberhangenen Stephansplatz im Zentrum Karlsruhes, als ich in ca. 20 Metern Entfernung eine allein schon wegen ihres wuchtigen Formats eindrucksvolle Gestalt mit schwarzem Flattermantel und rotblonder Flattermähne auf mich zukommen sehe. „Das ist doch...?!“ denke ich. Jeder Schritt bringt mich der Gewissheit näher: Der hier federnden Schrittes geradewegs auf mich zu läuft, ist kein geringerer als Peter Sloterdijk! Mit jeder Elle Distanzverlust erhöht sich die Frequenz meines innerpsychischen Oszillators, dessen Lichtpunkt zwischen „woanders hingucken“ und „Hallo Peter!“-Rufen hin- und herjagt. Noch gute drei Meter trennen uns. Da! Er guckt mir direkt in die Augen! Er... lächelt mich an. PETER SLOTERDIJK HAT MICH ANGELÄCHELT! Verwirrt und vermutlich entsprechend schief lächle ich zurück und rucke ein wenig mit dem Kinn nach unten, was wie ein höflich-souveräner Gruß rüberkommen soll, wahrscheinlich aber eher nach ‚Veitstanz im Anfangsstadium’ aussieht. Und doch: Es funktioniert! Er grüßt zurück! Peter Sloterdijk und ich verstehen uns OHNE WORTE! (NUR ohne Worte, fürchte ich, denn wann immer Herr Sloterdijk im Fernsehen den Mund auftat, verstand ich allerhöchstens ein Drittel dessen, was er etwas hastig zum Besten gab.) Aber egal! Für mich zählt nur: Ich habe Peter Sloterdijk gesehen. In echt! Einen echten Philosophen! Mit echtem Philosophenlächeln!!

Dienstag, 7. März 2006

Gewinnmagnet (Voller Ernst!)

Heute fand ich in meinem elektronischen Postfach folgende Mitteilung:

"Sehr geehrte/r ariane greiner,
Sie wurden ausgewählt, als Gewinnspieltester 'Gewinnmagnet' 30 Tage kostenlos und damit völlig risikofrei zu testen. Sie erhalten bei Gewinnmagnet eine automatische Eintragung in 100 Gewinnspiele! Weiterhin spielen Sie automatisch jeden Tag GRATIS um 1 Million Euro bei Planet49. Als ausgewählter Tester erhalten Sie zusätzlich eine 100,- EURO Gewinnspielgarantie!
(...)
Jetzt risikofrei testen und 100,- Euro in bar erhalten, wenn der Service nicht funktioniert.
Viel Spaß mit unserem Service
Ihr Gewinnmagnet Team"

Abgesehen davon, dass ich mich ungern von Unbekannten mit Vor- und Zunamen ansprechen lasse (erst recht nicht, wenn sie sich nicht zwischen männlicher und weiblicher Anrede entscheiden können!), empfinde ich die Bezeichnung "Gewinnspieltester" als persönliche Beleidigung - auch und gerade dann, wenn sie von einem "Gewinnmagnet Team" ausgesprochen wird. "Gewinnspieltester", das kommt gleich nach "Parkuhrbezahler", "Freewall-Sprayer" und "Nebelscheinwerferbenutzer"! Was soll das? Liegt nicht die letzte homöopathische Dosis Reiz gerade im ungewissen Ausgang des eben darum so genannten Gewinnspiels? Kann man denn noch von "Gewinn" sprechen, wenn dieser mit einer "100,- EURO Gewinnspielgarantie" garantiert wird? Kann man natürlich schon, denn nichts spricht dafür, dass die 100 Euro jemals auf das Konto eines Gewinnspieltesters wandern, aber trotzdem! Hier geht's ums Prinzip! Und meines sagt mir: Ich will nicht als ausgewählter Gewinnspieltester risikofrei einen Gewinnmagneten testen, der mich jeden Tag GRATIS auf Planet 49 schießt! NEIN, NEIN und nochmals NEIN!

Montag, 6. März 2006

Hartz IV-Tee.

"Als Mitarbeiter eines Krankenhauses in Kenia davon hörten, dass auch in Deutschland arme Menschen um Lebensmittel anstehen müssen, entschlossen sie sich zu helfen. Heute kommt in Berlin eine Kaffee- und Teespende für Hartz-IV-Empfänger an", las ich heute früh auf spiegel-online.

Lieber Peter Hartz,

das können Sie nicht gewollt haben! Tun Sie was! Und Sie, Frau Bundeskanzlerin, krempeln Sie Ihr mildes Lächeln um und die Ärmel hoch! Sagen Sie der Kenianischen Regierung, dass es SO nicht geht. Wozu haben Sie denn 9,8 Millionen Euro (reine Schätzung, bar jeder Recherchegrundlage!) in eine herz-(und hirn)zerreißende Deutschlandmotivationskampagne gesteckt, wenn nun das zarte Pflänzchen deutschen Selbstvertrauens durch uneingeforderte Hilfslieferungen aus einem DRITTEWELT-Land samt Wurzel aus deutschem Boden gerupft wird?

Empörte Grüße!
Ihre Pandora


Du bist Kenia!

Samstag, 4. März 2006

Nachtrag zu vorgestern:

Für alle, die testen wollen, ob ihr mesolimbisches Belohnungssystem noch in Schuss ist, hier ein wegen seiner würzigen Kürze blendend geeigneter Testwitz*:

Frage: Was heißt "Shalom" auf Deutsch?
Antwort: "Friede".
Frage: Was heißt "el Shalom"?
Antwort: "Elfriede".

* Ich danke Matthias Hoeft für diese großzügige Leihgabe.

Donnerstag, 2. März 2006

Mesolimbische Belohnung.

Schon lange frage ich mich, wieso ich mich immer und ausschließlich in Männer verliebe, die mich mindestens fünfmal täglich zum Lachen bringen. Dabei ist das Lachvolumen durchaus proportional zur Gesamtmenge der Flügelschläge aller beteiligten Schmetterlinge. Ich habe es mit Freud versucht („Im Grunde suchst du in jedem Mann deinen Vater“), ich habe es mit der Dr. Sommer-Erste-Liebe-These versucht („Die erste Liebe prägt dich für alle Zeiten“). Aber so richtig überzeugen konnten mich solche Erklärungen nie.

Sicher, es stimmt schon: Jeder, der meinen Erzeuger kennt, wird meine Vorliebe für fingierte Zwangshandlungen, in Türritzen geklemmtes Gemüse und jegliche Form von Nonsenspoesie als frühkindlich geprägt einstufen, und auch dass mein erster „richtiger“ Freund bei seinem damaligen Ferienjob an der Supermarkt-Brottheke auf die Fragen der bewussten und gutgläubigen Verbraucherinnen, welche Getreidearten die verschiedenen Brotsorten enthielten, durchaus kabarettreif frei über Cerealien assoziierte, mag ein Hinweis sein, dass auch die zweite These nicht gänzlich der Dr.Sommerlichen Phantasie entspringt. Aber trotzdem... irgendwie war mir das alles immer zu psychoanalytisch. Und so dachte ich nicht weiter darüber nach.

Bis heute, als mein Blick in den aktuellen SPIEGEL fiel und sich an einem Gespräch mit Robert Gernhardt und einer Tübinger Hirnforscherin namens Barbara Wild über Komik, Karneval und den Sinn des Lachens festsog.

Um wie vieles einleuchtender als alle Prägungsdiagnostik finde ich die Wild’sche Erklärung! Ihre Antwort auf die Frage der Journalistin, was denn im Kopf passiert sei, wenn man über einen Witz gelacht habe, klingt so:

„Erst wurden blitzschnell Gebiete in der Hirnrinde aktiviert, die für Erinnerung und Arbeitsgedächtnis zuständig sind: Ich muss den Witzanfang ja noch im Kopf haben, wenn die Pointe kommt. Dann waren Gebiete in der linken hinteren Hirnhälfte beteiligt, die uns helfen, Absichten zu erkennen. Anschließend werden die Gebiete nahe dem Broca Areal aktiv: Sie stellen Sprache, Zeichen und Symbole in einen Sinnzusammenhang. Und wenn wir den Witz kapiert haben, feuern, wie bei gutem Sex oder einem Lottogewinn, die Nervenzellen im mesolimbischen Belohnungssystem.“

Heute Abend werde ich auf mein mesolimbisches Belohnungssystem anstoßen!

Mittwoch, 22. Februar 2006

Familiengeschichten, Folge 859.
Heute: Geburtstag in Ulm.

Gestern war der 21. Februar 2006. Für diese Nachricht werde ich den Pulitzer-Preis für investigativen Journalismus zwar wohl wieder nicht bekommen. Dafür aber vielleicht hie und da aus der handverlesenen Blogleserschaft ein Paar erhobener Augenbrauen ernten, wenn ich die eher mäßig interessante Nachricht um Folgendes ergänze:

Dass gestern der 21. Februar war, bedeutet nämlich auch, dass die Familie meiner Schwester gemeinsam mit „den Großeltern“ im schönen Städtchen Ulm den zweiten Geburtstag meines Neffen feierte.

Ulm braucht sich seines Ulmseins nicht zu schämen: Nicht nur der höchste Kirchturm der Welt (!) ragt hier mit 161,53 Metern weithin sichtbar über allen Wipfeln empor, nein, hier haben auch so bedeutende Persönlichkeiten wie Hans und Sophie Scholl, Claudia Roth, Mike Krüger und Uli Hoeneß den ersten Schrei getan. Der berühmteste Sohn der Stadt aber heißt Albert Einstein.

Moleküle seines scharf analytischen, mathematisch-logischen Geistes sind wohl noch immer in der Ulmer Luft nachweisbar. Anders ist die numerische Blitzgescheitheit meines 24 Monde zählenden Neffen kaum zu erklären. Denn der antwortete auf die knifflige und mehr zum Amüsement der Erwachsenen gestellte Frage seines Großvaters, wo er denn vor zwei Jahren gewesen sei, mit einem entschlossenen: „Eins minus!“

Die verdutzte Geburtstagsgemeinschaft wurde daraufhin von meiner Schwester aufgeklärt, dass dies kühn-intuitive Rechenergebnis wohl auf den Umstand zurückzuführen sei, dass Schwesterchen Lara (6) ihre Mathematik-Hausaufgaben stets laut proklamierend im gemeinsamen Kinderzimmer zu erledigen pflege, weswegen dem Kleinen Lautkombinationen des Typs „Zahl“ und nachfolgendem „Plus“ bzw. „Minus“ durchaus vertraut seien. Aber wieso hat er dann nicht „drei plus“ oder „minus sieben“ gesagt? Wieso gerade „eins minus“? Die Hausaufgaben-Nachahmungs-These jedenfalls überzeugt mich nicht. Ich meine: Echte Genialität entzieht sich aller Erklärung!

Montag, 20. Februar 2006

Schildergalerie:
Karlsruhe in Schildern.


Um die Entstehung französischer Verhältnisse zu verhindern, hat man der Karlsruher Jugend Freiflächen für eine Rebellion in Maßen eingerichtet.



Schwarzwälder Kirschtorte vor romantischer Kulisse genießen - nirgends geht das so gut wie in Karlsruhe!



ver.di verzeichnete in Karlsruhe einen ersten Teilerfolg.



Professioneller Trauerbeistand heißt in Karlsruhe, selbst in der schwärzesten Stunde nicht den Humor zu verlieren.



Schon lange bevor es das Wort gab, wusste man in Karlsruhe die moderne Patchworkbiographie zu würdigen.



Angesichts leerer Kassen muss man es heute für eine posthume Würdigung in Blech immerhin zum Vorsitzenden gebracht haben.

Freitag, 17. Februar 2006

Rosine des Tages.

Klappentexte sind eine heikle Sache. Entweder versprechen sie zuviel oder zu wenig. Die Klappentexte, die mich wirklich neugierig auf das Buch gemacht haben, ohne dass ich hinterher enttäuscht war, könnte ich auch dann noch an einer Hand abzählen, wenn mir zwei Finger fehlten.

Hin und wieder findet man im teigigen Blabla eines Klappentextes jedoch wahre Rosinen. Damit meine ich nicht die gekauften Zitate à la "Ein fulminanter Roman", "Ein Feuerwerk der Sinne" oder auch "Ein wichtiges Buch" - nein! Meine Liebe sucht sich andre Wirte...

Zum Beispiel so einen, wie er sich im Klappentext der Fischer Taschenbuch-Ausgabe von Richard Powers' "Der Klang der Zeit" tummelt (beiseite: Ich habe das Buch nicht gelesen, da Bücher, die auf Bestsellerlisten stehen oder standen, bei mir einen nicht näher definierbaren, dafür aber umso ausgeprägteren Überdruss auslösen). Hier also meine Rosine des Tages:

"In einem Roman mit großen Figuren, farbigen Dialogen und vor dem Tableau der Rassenunruhen der letzten Jahrzehnte Amerikas erzählt Richerd Powers die Geschichte einer Familie mit zwei Hautfarben..."

Bild: Farbiger Dialog