Dienstag, 25. April 2006

Senta, die Glücksspirale.

Wenn man derzeit in einem ICE von beispielsweise Kassel nach beispielsweise Gießen sitzt (wobei die Frage, ob in Gießen tatsächlich ICEs halten, hier keine Rolle spielen soll), blickt man unweigerlich in das Gesicht von Senta Berger. Von der Rücklehne des Vordermannes strahlt sie einen an, ob man will oder nicht. Man will natürlich nicht. Man will wegsehen. Doch auch im Netz des Nachbarn hängt Frau Berger, genauso wie in allen Netzen aller Rücklehnen innerhalb des Gesichtsfeldes. Man hat einfach keine Lust auf Senta Berger, man findet sie langweilig und doof, wie Frank Elstner etwa. Oder wie die Glücksspirale. Man wundert sich, wieso man auf einmal genervt ist, wo sie einem doch gar nichts getan hat. Diese Frau hat es über viele Jahrzehnte hinweg geschafft, ihr Langweilig- und Doof-Sein als „Natürlichkeit“ zu verkaufen. Verdient das nicht ungeteilten Respekt?

Nein! Genausowenig, wie Uschi Glas oder Claus Hipp unseren Respekt verdienen, wobei - Halt! Claus Hipp steht für die Qualität der Gläscheninhalte wenigstens mit seinem Namen. Was man von der „Anna Maria – eine Frau geht ihren Weg“-Mimin nicht behaupten kann - oder vielleicht doch?



Egal! Zurück zu Senta Berger. Ja, Senta Berger ist recht eigentlich die Fleisch gewordene Glücksspirale. "Deutschlands Lotterie mit den höchsten lebenslangen Rentengewinnen" (Eigenaussage) beschert dem, der es zulässt, wöchentlich "die Chance auf ein 'Leben nach Lust und Laune'“. Ähnlich ist es mit Senta Berger: Lust und Laune auf Lebenszeit. Vermutlich prangt sie deshalb seit Jahrzehnten auf jeder zweiten TV-Zeitschrift und mit zunehmender Fältchenbildung auch immer häufiger auf sog. „Kundenmagazinen“. Im April tut sie das sogar auf (mindestens) zwei verschiedenen! Neben der Deutschen Bahn und ihrer Fahrgastpublikation „DB mobil“ glaubt auch der Drogeriewarenhändler dm mit dem Heft „alverde“, seine Attraktivität Senta-Berger-gestützt zu steigern.

In Anbetracht unserer überalterten Gesellschaft, die, glaubt man den Experten (und das sollte man unbedingt und unter allen Umständen!) bald nur noch aus Kirschkompott löffelnden Lesern der „Methusalemkomplott“-Großdruckausgabe besteht, mag Senta Berger als Attraktor für potenzielle Kunden und Kundinnen durchaus sinnvoll sein.

Aber was ist mit uns, den sog. „jungen Erwachsenen“? Wie lockt man UNS? Mit Senta Berger jedenfalls nicht. Aber das ist den Marketingstrategen ganz offensichtlich egal. Wahrscheinlich haben sie uns längst abgeschrieben. Wieso soll man sich auch als erfolgsgesteuerter Marketingfachmann mit einer Zielgruppe befassen, deren Kaufkraft so groß ist wie die ihrer ungeborenen Kinder? Ich vermute, es ist so: Die „Generation Praktikum“ ist für Kundenmagazine schlichtweg nicht interessant. Da sie wieder bei den Eltern eingezogen ist und mit gefälschtem Studentenausweis in der Mensa speist, taugt sie allenfalls als Diskussionsgegenstand von Feuilletonisten und/oder Soziologenstammtischen.



Sie ist ja auch so genügsam, die heutige Dreißigerzone! Euphorisierbar schon durch die simpelsten Tricks wie etwa die Neuauflage von Süßigkeiten, die ihnen schon damals nicht geschmeckt haben, in so genannten "Nostalgie-Wundertüten" (s. aktuelles Sortiment von Aldi Süd). Ein paar Liebesperlen, ein bisschen Esspapier und zuckerhaltige Spielzeug-Armbanduhren aus in Tablettenform gepresster, pastellfarbener Stärke, und schon geraten die großen Kinder in Verzückung, wie damals, als Timm Thaler es endlich geschafft hatte, sein Lachen vom bösen Baron zurückzukaufen.

Aber zurück zu Glücksspirale Senta Berger: orangene Haarpracht, perlweiße Photoshop-Zähne, ein paar sympathische Lachfältchen um Mund und Augen, die der Art Director stehengelassen hat, denn, „hey, diese Frau steht zu ihrem Alter – genau wie unsere Kundinnen, aber bittschön in Grenzen, denn wir müssen ja auch an den Umsatz der Feuchtigkeitsfluids und Fruchtsäurecremes denken.“


Senta Berger - eine „reife Frau“, die im Interview so wunderbare Sätze spricht wie:
„Ich glaube, es gibt mich schon sehr lange und ich bin für viele Frauen schon da gewesen, als sie gerade mal im Teenageralter waren. Und jetzt gibt es mich immer noch. Da ist eine Art Vertrauen entstanden.“

Das ist es! "Vertrauen" heißt seit jeher das Zauberwort erfolgreichen Schaumschlagens, und die Corporate Publisher haben das Potenzial der Berger als vertrauensbildende Maßnahme, als Kundenbindungsinstrument früh erkannt. Sieh, Kunde, unser Unternehmen ist genau wie Senta Berger: seit Jahrzehnten im Geschäft, für viele schon da gewesen, als sie gerade mal im Teenageralter waren. Und jetzt gibt es uns immer noch.

Fragt sich nur, wann der ADAC oder die Commerzbank Senta Berger auf die Titelseiten ihrer Kundenzeitschriften setzen. Oder wann Frank Elsner seinen Job als Glücksbringer der Nation an den Nagel hängt. Lang kann’s eigentlich nicht mehr dauern.

3 Kommentare:

  1. Senta! Senta! Senta!! Senta for president!! Senta rulez! Senta forever!!
    Je öfter ich diesen Namen vor mich hin denke, desto merkwürdiger erscheint er mir. Noch nicht einmal witzige Wortspiele à la "Mein Name ist Schweiß. Axelschweiß" kann man mit ihm veranstalten. Oder muss vielleicht irgendjemand über "Mein Name ist Senta. Senta Claus" lachen? Nö, oder?

    Was beduetet Senta überhaupt? Ich google. Kurzform von Crescentia oder Vincenta, weitere Formen: Senda steht da.
    Jaahaa, Senda, das wär doch mal was. Da fiele mir je gleich jede Menge Quatsch ein, über den vielleicht der eine oder andere (aber Sie doch auf jeden Fall, meine liebe Pandora!) schmunzeln könnte. Zum Beispiel "Mein Name ist Senda. Senda Freiesberlin, wa!?" Oder - als gebürtige Stuttgarterin sei mir dies Schwabenwitzlein erlaubt: "Senda koi Weckli mähr do?"

    Aber zu Senta fällt mir wirklich gar nichts weiter ein. Außer vielleicht, dass der Name Programm ist: Nichtssagende Fernsehrollen, ein Kundenmagazin-Gesicht, ja noch nicht mal irgendein Ruf, der ihr vorauseilt. Inge Meysel - Die Mutter der Nation. Iris Berben - Verführerischer Vamp auch im gehobenen Alter. Barbara Schöneberger - Blondes Vollweib mit zu großer Klappe. Aber Senta Berger? Hm. Bahn Mobil. Alverde. Und vielleicht doch auch bald Commerzbank und ADAC. Sie sollten diesen Vorschlag dringend an die entsprechenden Vorstände weiterleiten, Pandora!

    rät
    Tinifeliz

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  2. Tinifeliz, Sie haben mit Ihren Beobachtungen, Mutmaßungen, Gedankenspielen und Wortkunststücken mal wieder den Nagel (aber welchen eigentlich?) auf den Kopf (s. vorherige Klammer) getroffen. Tatsächlich fällt einem zu Senta nichts, aber auch gar nichts Vernünftiges ein. Und was Unvernünftiges erst recht nicht.
    Das einzige, was mir zu diesem unschönen, da nach Schäferhund klingenden Namen einfiel ist ein Satz, den man sich bitte mit Wolfgang-Gerhardt-Stimme vorstelle: "Ach ja, diesä Wahlkampf! Das sen Tage, an dänen man am liebsten im Bätt bleiben würde!" Zugegeben, ein wenig ansprechender Wortwitz. Ich schäme mich.

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  3. Ich fand ihn gut!!

    Alles von Pandora findet gut:
    Tinifeliz

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