Mittwoch, 31. Mai 2006

Lustiges Wissen.

Das Schöne am Lesen ist das ständige Stolpern über Wörter, die sich einem plötzlich in den Weg stellen, woraus sich nicht selten ein heiterer Gedankenaustausch ergibt. Nervig nur der zwanghafte Wille, das Gefundene umgehend, am besten noch nestwarm, in die Öffentlichkeit zu posaunen. Welche Gnade ist da der Blog! Ein einfacher Klick auf den „veröffentlichen“-Button und – schwupp! – ist das Gefundene in der Welt!

So wie folgende soeben erblätterte Wahrheit:
Das französische Wort „rossignol“ heißt auf Deutsch 1. Nachtigall, 2. Ladenhüter und 3. Dietrich.


"Es war der Dietrich und nicht die Lerche."

Über Zusendung weiteren lustigen Wissens aus der handverlesenen Leserschaft tät sich diebisch freuen:

Pandoria

Dienstag, 30. Mai 2006

Liebe Zielgruppe! Ach nein, das ist geklaut. Also dann: Liebe post-postmoderne Trotzdem-Spaßgesellschaft!

Man sollte öfter Kontoauszüge suchen. Vorausgesetzt, man bewahrt sie in Kruschtelkisten auf. Da findet man mitunter nämlich tolle Sachen: kleine, rote Doppeldeckerbusse aus Hartgummi zum Beispiel. Oder einen Kringel Stricknadeln, noch immer eingeschweißt in ein unschönes Gehäuse aus Plastik und Pappe. Sogar einen Zirkel findet man, wenn man Glück hat. Und wenn man dabei traurige Musik hört (z.B. "le facteur" von Georges Moustaki), erinnert man sich vielleicht daran, dass es mal ein Zeit gab, in der es wichtig war, Löcher in Karopapier zu stechen und diese dann vorsichtig in bestimmten Abständen zu umkreisen. Immer wieder aufs Neue. Wozu nochmal? Man hat's vergessen.

Unter einer Postkarte, auf der Howard Carpendale zum Blutspenden aufruft, fand ich schließlich auch eine Liste mit Lieblingszitaten. Daraus hier ein kleines Best Of:


Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?
(Dany Levi, Regisseur)

Man soll die Helden feiern, wie sie fallen.
(SZ-Streiflicht)

Das wär ein echter Schweinehund,
dem je der Sinn für Heine schwund.
(Erich Mühsam)

Die Freiheit stirbt an ihrer Verteidigung.
(Thomas Mann)

Ich pass partout in keinen Rahmen.
('Guschdi', Bruder von Sabine K.)

Satire darf alles – nur nicht langweilen.
(Kurt Tucholsky)

Das Leben ist ein Geschenk, drum schau ihm nicht ins Maul.
(Kerstin Kleen aka 'tinifeliz')

Nous avons toute la vie pour nous amuser,
nous avons toute la mort pour nous reposer.
(Georges Moustaki)

Ich bin doch die beste Christin:
nutze nicht mal die Kirchenbänke ab!
(Omi)

Dein Lachen kitzelt mein Innenohr.
(Sven Regener)

Sonntag, 28. Mai 2006

Perle des Tages.

Wenn man sich nicht nur erfolgreich, sondern auch effektiv vor der Arbeit drücken will, surft man am besten im Internet (bevor man in die Sonne geht). Denn da stößt man mitunter auf wahre Perlen, Perlen wie diese: www.1000taler.de

Samstag, 27. Mai 2006

Zwei Fragen.


Frage 1:
Wenn die VORSTELLUNG, einen ganzen Tag lang, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, in einem hellgrünen Laubwald dem Tanz der Lichtflecken auf dem Moosteppich zwischen den Stämmen zuzusehen, vollkommenes Glück bedeutet – würde man sich, in WIRKLICHKEIT, nach einer Stunde in diesem Wald langweilen? (Wenn ja, warum?)

Frage 2:
Wenn die VORSTELLUNG, sich im Niemandsland zwischen fliegenden Orten kopfüber in ein hellgrün glasiges Feld zu werfen, vollkommenes Glück bedeutet – würde man, in WIRKLICHKEIT, mit wackeligen Knien durch eine Vorortsiedlung waten? Und, wenn ja: Warum?

Donnerstag, 25. Mai 2006

Hirschragout mit Crème brûlée.

Zur Abwechslung mal wieder eine SCHÖNE Geschichte. Eine Geschichte, die das Leben schrieb:
Ein armer Tropf verlor seinen Fahrradschlüssel, so dass er gezwungen war, sein eigenes Rad mit der Bolzenzange vom Schloss zu befreien. Das sah die Polizei. Schnell von Begriff, wusste sie die international gültige Chiffre „Mensch mit Bolzenzange an Fahrradschloss“ zu deuten und zerrte den vermeintlichen Dieb aufs Revier.



Alles Beteuern des Unglücksknackers, dass es sich bei dem Fahrrad um SEIN EIGENTUM handele, war für die Katz! Die freute sich umso mehr, als sich nach einem raschen, zweistündigen Datencheck herausstellte, dass das fragliche Fahrrad als („Hab ich’s dir nicht gesagt, Erwin!“) gestohlen gemeldet war. Für die Polizei ein gefundenes Fressen - ein Hirschragout mit Crème brûlée, gewissermaßen. So viel geballtes Glück schreitet selten über die abgewetzten Lenoliumstufen eines durchschnittsdeutschen Polizeireviers: Fahrradknacker samt doppelt gestohlenem Diebesgut auf frischer Tat ertappt – am Schutzblech noch die Perlen frischen Angstschweißes!
Der arme Tropf, den wir getrost Besitzer nennen dürfen, auch wenn’s keiner glaubt, versicherte bis zum Eintritt der Dunkelheit, dass er das Fahrrad RECHTMÄSSIG erworben habe, wenn auch mit recht mäßigem Erfolg. Wie lange es dauerte, bis die Polizei, überzeugt oder übermüdet, den Fahrradknacker schließlich frei ließ, ist nicht überliefert.

(Plot sponsored by Iwan D.)

Montag, 22. Mai 2006

Lebenskunde.
Heute: Die Welt und ich

?: Was muss man tun, damit die Welt einen mit Namen begrüßt?
!: Zunächst muss man ihr in den Hintern treten.

© Jochen W.

Sonntag, 21. Mai 2006


Ich weiß nun, was schon war. Was noch kommt, will ich erfinden.
(Barbara Morgenstern)

Samstag, 20. Mai 2006

Richtige Wörter.

Aus der Hauptstadt kam gestern folgender Gedanke geflogen und hat sich auf meiner Festplatte eingenistet:
„Für manche Gemütszustände kann man eben, so sehr man auch sucht, wohl einfach nicht die richtigen Worte finden, dann ist es manchmal besser, es gar nicht erst zu versuchen oder eigene zu erfinden.“

Das ist eine These, die man mit Messer und Gabel essen muss! Und schon liegen drei saftige Stücke auf dem Teller:

Brust: Für manche Gemütszustände kann man (...) nicht die richtigen Worte finden,
Flügel 1: dann ist es (...) besser, es gar nicht erst zu versuchen oder
Flügel 2: eigene zu erfinden.

Zu 'Brust':
Diese Erkenntnis darf wohl ohne Umschweife als wahr bezeichnet werden.
Doch wie sieht es mit den Flügeln aus?

Zu 'Flügel 1':
Soll man nicht wenigstens VERSUCHEN, was geht?
Ich meine: Ja! Ein entschiedenes Ja!
Auch wenn es sehr wahrscheinlich ein fahler Abklatsch dessen wird, was man gerne sagen WÜRDE, wenn man KÖNNTE. Die Celans, Trakls und Rilkes sind nun mal dünn gesät, und das ist ja auch gut so. (In puncto Lebenstüchtigkeit sollte man sich ohnehin andere Vorbilder suchen, aber das soll hier nicht Thema sein.)
Mir scheint, als verkümmere im Schatten namens Ehrfurcht so manch zartes Pflänzchen, das, wer weiß, im Hirn des Sachbearbeiters ans Licht drängt. Doch missdeutet er dies unbestimmte Drängen als Midlifecrisis und trennt sich von seiner Frau. Und warum? Weil er nichts weiß von den Worten, die in ihm verborgen schlummern, die in ihm loderten, fände er nur die Streichhölzer. Sicher, er hat schon mal von Goethe oder so gehört, und auch Eichendorff ist ihm ein Begriff, aber das ist nicht sein Metier, darin kennt er sich nicht aus, das alles hat nichts mit ihm zu tun. So denkt er, der Sachbearbeiter.
Natürlich lauert – machen wir uns nichts vor - immer und überall die Gefahr, dass die alltagssprachlichen Wurfgeschosse das filigrane Gemütsgebilde jäh zerschmettern. Ich fürchte sogar, dass die meisten Geschichten, die das Leben schreibt, auf diese Weise enden: erschlagen von der Wucht der Wörter. (Vorausgesetzt, sie haben überhaupt je begonnen und wurden nicht aus Angst vor den Wörtern um ihr natürliches Recht auf Leben gebracht.)
Das Schlimme ist: Das alles geschieht meist, ohne dass wir was merken! Oder wenn wir was merken, dann ist es schon zu spät. Nicht selten passiert dies: Der Gedanke wächst und gedeiht, gläsern und zart, schillert im Schein der Morgensonne, wolkenlicht und elfengleich... Und dann, mit einmal Mal, aus der Ferne ein Dröhnen, das Dröhnen wird lauter, der Himmel verdunkelt sich und – peng! Das Wort schlägt auf! Und alles ist kaputt.

Zu 'Flügel 2':
s. Flügel 1! Ohne Umschweife wahr

Drum sei hier nicht länger herumgeplürt und sich in alle Roginten verhopft!

Donnerstag, 18. Mai 2006

Werthers Beste.

Eine meiner Lieblingsstellen in Goethes „Werther“ geht so:
„Man predigt gegen so viele Laster, (...) ich habe noch nie gehört, dass man gegen die üble Laune vom Predigtstuhle gearbeitet hätte.“ Das steht im Brief vom „1. Julius“.

Allein das Datum ist ein wahrer Ohrenschmaus: erster Julius. Julius! Ich plädiere vor allem anderen (Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg, Verlagerung der Fußball-WM 2006 nach Timbuktu, Einführung einer Schwafelmaut für alle heads of marketing affairs, denen der Globus Dorf ist, Handytelefonierverbot in meiner Nähe etc.pp) für die Wiedereinführung der Monatsbezeichnung „Julius“. Ferner bin ich für eine rasche Umsetzung von Werthers Idee, üble Laune mit Gottes Zorn zu strafen.
Die Welt wäre eine andere: Irans Präsident (Name verdrängt) hätte nichts mehr zu lachen, weil er nichts mehr zu fluchen hätte. Gleiches gilt für sein amerikanisches Alter Ego. Büttenredner würden endlich arbeitslos, da auch der Karneval seinen Sinn verlöre, denn die Sau würde das ganze Jahr über frei herumlaufen. Wirtschaftsforscher wären weg vom Fenster, weil sie nicht mehr vom Beichtstuhl kämen bei all den übel gelaunten Prognosen, die sie in ihrem Leben verbreitet haben, und eine Kampagne wie „Du bist Deutschland“ wäre nicht mehr länger nur rufschädigend, sondern, oh ja, gotteslästerlich! Denn Gott mag es nicht, wenn man ihm ins Handwerk pfuscht.
Lieber Papst, arbeite doch bitte gegen die üble Laune vom Predigtstuhle und überlass das nicht immer deinen Mainzer und Kölner Kollegen!
Bittet
Pandora

Natürlich ist auch die gute Laune, wie alles, eine Frage der Dosis, und kann bei übermäßigem Gebrauch unangenehme Nebenwirkungen hervorrufen.

Dienstag, 16. Mai 2006

Musenlimo I.

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Und die Musen küssen, wenn sie kommen. Sie sind sehr scheu. Musen sind Mimosen. Sie sind schnell beleidigt. Man muss sie höflich hereinbitten und ihnen was zu trinken anbieten. Ein Kölsch zum Beispiel. Oder eine Limo. Musen finden das lyrisch. Musen lieben lyrische Momente. Papperlapapp - Musen BRAUCHEN lyrische Momente. Deshalb, liebe Musen, habt ihr ab heute ein Eckchen in meinem Blögchen. „Musenlimo“ sei sein Name. Und schon geht’s los:

Musenlimo I.
Heute:

Mondes Schein



Sie hangeln sich von Ecke zu Ecke
durch das Gestrüpp getrockneter Sätze.
Der Mond kreuzt leise das Moosgemäuer.
Er hofft, dass er so ihre Sinne berauscht.

„Ich finde“, sagt er. Und sie sagt: „Ich auch.“
Dann reden sie weiter, als ob nichts sei.
Sie reden und reden und bald wird es hell.
Dem Mond tun sie leid. Was kann er bloß tun?

Sie hangeln sich weiter von Nacht zu Nacht
durch das Geäst verbogener Fragen.
Sie wüssten so gerne, doch das ist gefährlich.
Und bald wird es hell und der Zauber schwindet.

„Ich weiß nicht“, sagt sie. Und er sagt, „ja, ja.
Ob man noch irgendwo einen Kaffee -?“
Vor Freude möchte sie Luftsprünge machen,
doch sind ihre Schuhe ein wenig zu eng.

Sie müsse nach Hause, es sei schon spät,
und außerdem habe sie morgen zu tun.
Er nickt und versteht nicht
und winkt ihr zum Schein
des Mondes
Ein toter Arzt ist ein schlechter Arzt.

„Ein 47-jähriger Arzt hat in Erftstadt bei Köln seine Frau und seinen zehn Jahre alten Sohn erschossen. Danach nahm er sich selbst das Leben. Als Grund werden familiäre Probleme vermutet“, meldet die dpa.
Und ich melde: NEIN! SO NICHT!!
Liebe Mediziner, ihr dürft jetzt nicht die Flügel hängen lassen und eure Familien erschießen, nur weil die Tarifverhandlungen gescheitert sind! Was sollen wir denn von euch denken?
Ihr könnt in die Isar steigen, ja, aber bitte kommt auch wieder raus! Wir brauchen euch! Lebendig! Stark! Kämpferisch!
Und außerdem: Wie sähe das denn aus, wenn all eure Die- Schulmedizin-geht-baden-Schilder zwischen euren toten Körpern die Isar hinabtrieben?
Die Message würde wohl rüberkommen. Allein – wozu?
Kann schon sein, wer weiß, vielleicht würde sich die Tarifgemeinschaft der Länder, gerührt über so viel Opferbereitschaft, doch noch zu einer Lohnsteigerung breitschlagen lassen. Oder zu einem Stück Kuchen, als Ersatz fürs gestrichene Weihnachtsgeld. Aber IHR hättet nichts mehr davon.
Wollt ihr das? Wollt ihr wirklich lieber als Märtyrer sterben, anstatt als Helden in Weiß auf dem Siegertreppchen der Gerechtigkeit umjubelt zu werden? - Eben!
Also: Nicht schießen - kämpfen!

rät euch
Pandora

Samstag, 13. Mai 2006

Gebärpflicht.

„Meinten Sie: Gebührenpflicht?“, fragt mich Google, wenn ich das Wort „Gebärpflicht“ in die Suche eingebe. Meinte ich eigentlich nicht, ist aber auch hübsch.
Überhaupt mag ich es, wenn Google mir fortwährend Alternativen vorschlägt, die so ähnlich klingen wie das, was ich will.
Man sollte das ausbauen. Man sollte das ins echte Leben einführen. Mitten rein in die Dienstleistungsgesellschaft!
„Meinten Sie: Merlot?“ früge mich dann der Barkeeper, wenn ich einen
Pernod bestelle. Und sofort entspönne sich ein netter Plausch über Anbaugebiete und Rebsorten. Am Bahnhofsschalter offerierte man mir alles, was sich auf „Bremen“ reimt, und beim Bäcker hieße es zuvorkommend: „Meinten Sie: Brut?“ Wer weiß, vielleicht würde ich es mir, so gefragt, noch einmal überlegen.
Dass man ein Kind nicht backen kann wie ein Brot, sollte einen nicht abschrecken. Immerhin ist es ja SO ÄHNLICH. Dauert nur länger. Aber im Prinzip? Nur die Gebührenpflicht, die ist bei der Anschaffung eines Kindes natürlich höher als beim Erwerb eines Brotes. Aber: Einen geregelten Broterwerb vorausgesetzt, dürften die paar Extrastullen, die das Kind im Laufe seines Lebens verzehrt, nicht sonderlich ins Gewicht fallen.
So. Und was ist jetzt mit „Gebärpflicht?“

Donnerstag, 4. Mai 2006

Birgit mit den rosa Söckchen.

Der Karlsruher bzw. die Karlsruherin zeichnet sich neben einem unverkennbar baaaaaadischen Zungenschlag (wobei die Dynamik des Wortes „Zungenschlag“ angesichts der heillos überdehnten Vokale nicht so recht passen mag. Drum sei „Zungenschlag“ flugs ersetzt durch „Dialekt“ oder besser noch durch „Mundart“) durch einen Kleidungsstil aus, den man nur schwer beschreiben kann, weil er quasi nicht existiert. Die wahllose Mischung knisternder Textilien aus Kaufhäusern mit Namen des Typs „Großbuchstabe & Großbuchstabe“ verlangt von der empfindlichen Netzhaut ein Höchstmaß an Toleranz. Dass der Karlsruher bzw. die Karlsruherin die willkürlichen C&A-, H&M-, K&L-Konfektionskompilationen mit geradezu weltbürgerlichem Stolz spazieren führt, (wovon neben viel zu lautem Telefonieren mit übertrieben abgespreiztem Ellenbogen kühne Spiegelglas-Sonnenbrillen, Zungenpiercings und glibbrige Irokesenverschnitte zeugen, derer man sich andernorts längst schämt) macht alles nicht besser.

Nun kann man sich getrost über derlei Geschmacksirrungen lustig machen, so lange es sich um Menschen zumeist jugendlichen oder doch zumindest eines jungen Erwachsenenalters handelt, denn diese Menschen haben ihr Leben i.d.R. noch vor sich und können eine verbale Kaltdusche gut verkraften – zumal sie, Dauer-Caipi-gedopt und lesefaul, ohnehin nichts davon mitbekommen. Wirklich schlimm wird das alles erst ab einem gewissen Alter. Sagen wir ab fünfzig.

Gerade eben sah ich in der Fußgängerzone eine Frau um die fünfzig, zerzauste, fahl gelbe Dauerwelle, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen eine Plastiktüte, mit welcher der Wind seine Spielchen trieb. Nennen wir sie Birgit.

Zur pinkfarbenen Caprihose trug Birgit ein orangenes Flatterhemd, was an sich ja noch kein Grund zur Sorge wäre. Doch der Anblick ihrer großen Füße, die sie zuerst in rosa Nylonsöckchen und dann in weiße, offene Pantoletten gepackt hatte, stimmte mich traurig. ‚Diese Frau hat niemanden, der ihr sagt, dass man so nicht aus dem Haus gehen kann’, dachte ich. Und ich stellte mir vor, wie sie morgens in die Firma geht, wo sie dreimal die Woche sauber macht. Den Instantkaffee hat sie wieder nur zur Hälfte ausgetrunken, weil ihr Magen den Kaffee eigentlich nicht verträgt. Trotzdem will sie auf diesen kleinen täglichen Genuss nicht verzichten, denn ihr Leben ist arm an Genüssen und reich an Entbehrungen. Zum Glück weiß sie das nicht. Sie hat keinen Mann mehr, und auch die Kinder sind für sie so gut wie gestorben. Wenn sie einmal im Jahr zu Besuch kommen, natürlich an Weihnachten, ziehen sie lange Gesichter, weil es nicht der Original-i-pod ist, sondern ein Imitat in Silbergrau („total uncool!“), und dabei ihre Handys aus der Hosentasche, weil sie nur eines wollen: weg! Sie verabreden sich mit ihren Freunden, um ihren Frust mit Alkopops zu löschen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Das allerdings weiß auch Birgit. Doch mit wem außer dem Fernseher sollte sie ihr Leid teilen? Und welches Leid überhaupt? Der Tag geht, wie er gekommen ist. Wie alle Tage kommen und gehen: lautlos, gedankenlos, schmerzfrei. Ab und an ein Magenstechen. Sobald draußen die Sonne scheint, kommen die weißen Pantoletten und die pinkfarbene Caprihose aus dem Schrank. Und die rosa Söckchen von letztem Sommer müssen auch irgendwo sein...

Mittwoch, 3. Mai 2006

Blaue Blume statt grüner Helme!

Gestern erzählte mir ein Freund eine Geschichte, die so schön ist, dass sie aufgeschrieben werden muss. Noch dazu, da sie vom Schreiben handelt! Vom Schreiben und von großen Gefühlen. Genauer: vom Entstehen großer Gefühle beim Schreiben. Also: von Poesie!
Die Rede ist von einem Verweigerungsschreiben.


Nun gehören jene Texte, die sich junge Männer im Wehrpflichtalter aus den Fingern saugen, um sich gegen eben jene „Pflicht“ zur Wehr zu setzen, nicht gerade zu den ersten Assoziationen, die einem durchs Hirn rauschen, wenn das Wort „Poesie“ das Hämmerchen im Ohr passiert. Und doch...

Aber nun endlich zur eigentlichen Geschichte! Sie ist schnell erzählt und geht so:
Als für den Freund die Zeit gekommen war, da man von ihm verlangte, sich in oliv zu kleiden, das Gewehr zu schultern und fortan nur noch brüllend zu konversieren, setzte er sich an den Schreibtisch, willens, seinem Vaterland kundzutun, dass es unter diesen Umständen auf seine Dienste leider werde verzichten müssen. Er schrieb alles nieder, und der traurige Aspekt der Geschichte ist, dass jener Text für immer verschollen ist. Es muss ein besonderer Text gewesen sein. Denn, so erzählte der Freund, er schrieb und schrieb, und je länger er schrieb, desto mehr rührten ihn die eigenen Worte ans Herz, so dass ihm gegen Ende tatsächlich die Tränen in die Augen stiegen. Womöglich ist gar eine der Tränen aufs Papier getropft! Ich bin sicher, der Adressat dieses Schreibens hat bei der Lektüre sein Sturmgewehr niedergelegt, ein Taschentuch gezückt und sich damit verstohlen seinerseits eine Träne aus dem Augenwinkel gewischt – gerade noch rechtzeitig, bevor Oberleutnant Hasenwickel (oder wie auch immer Oberleutnants heißen mögen) zur Tür hereingepoltert kam und zum Marsch blies. Allerdings ist dieser Teil der Geschichte so nicht überliefert und bleibt daher reine Spekulation.

Was außerdem bleibt, ist die gute Nachricht für alle (männlichen) Schüler, dass man nicht unbedingt Goethes Werther gelesen haben muss, um zu verstehen, was der Deutschlehrer meint, wenn er von „Sturm und Drang“ spricht. Es reicht schon ein Stück mit glühender Feder geschriebene Wehrdienstverweigerungsprosa. Obwohl es natürlich nie verkehrt ist, den Werther zu lesen. (Frauen finden das nämlich in hohem Maße sexy!)

Dienstag, 2. Mai 2006

Vanessa Russenschuck.

Vanessa Russenschuck ist nach Bärbel Faltermayer, jener multipel begabten Kreuzung aus Mutter Beimer und Schneewittchen, das zweite Software-Testimonial vom Typ „patente Hausfrau“, das in diesem Blog gewürdigt wird.



Anders als Bärbel Faltermayer, die Microsoft zuliebe hauptberuflich Zahnärztin ist, heißt es von Vanessa Russenschuck, dass sie sich als Hundezüchterin mit Schwerpunkt „Deutsche Doggen von der Rödermark“ verdinge. Die seien ihre ganze Leidenschaft. Und dank „Homepage-Starter“ von T-online hat diese Leidenschaft nun einen Ort im Internet: die Homepage von Vanessa Russenschuck "und ihrer Familie“.

Wie schon bei Bärbel Faltermayer hielten die Werber es auch bei Vanessa Russenschuck für angebracht, die Familie mit ins Spiel zu bringen (Wertedebatte! Gebärpflicht! Methusalemkomplott!), wenn auch nur als kurze Randbemerkung und ohne Bild. Dafür ist Vanessa Russenschuck, verglichen mit Bärbel Faltermayer 1. Beleibter, 2. Bebrillter und 3. ungleich schlichter gewandet. Dabei hätte der blütenweiße Überwurf viel besser zu Zahnärztin Faltermayer gepasst! Im Gegenzug hätten deren gülden-lilafarbene Gewänder der Hundezüchterin einen Hauch von Glamour verliehen, der sich mit der Rassigkeit ihrer Rödermarkdoggen sicher zu einem reizvollen Gesamtbild gefügt hätte.

So aber bleibt Vanessa Russenschuck im Vergleich zu Bärbel Faltermayer enttäuschend blass. Lediglich beim Namen haben sich die Werber erkennbar Mühe gegeben. Und zusammen mit dem Hinweis „pro Monat 4,95 Euro“, der über ihrem Leib prangt, kommt doch noch das ein oder andere Quäntchen werbewirksamer Verruchtheit auf: Wessen Phantasie würde nicht durch eine Hundezüchterin angeheizt, die für 4,95 Euro im Monat professionell Russen schuckt?