Freitag, 25. Mai 2007

Binse, schenke mir Weisheit!

rief ich insgeheim, nachdem ich zuerst absichtlich auf den Balkon und dann unabsichtlich auf eine im Sterben begriffene Eintagsfliege trat. Da wurde mir auf einmal merkwürdig weise zumute: Die Binse hatte mich erhört, denn sie wisperte mir durchs Laub der Linde, deren Äste mich an der Nase gekitzelt hätten, wäre ich nasenmäßig nur eine Elle besser bestückt:
"Man soll aufhören, wenn's am schönsten ist!" (Sie wisperte tatsächlich mit Apostroph!)
"Ja, liebe Binse", sann ich, "du hast Recht. Alles hat ein Ende, nur die Wu..." Da machte mir ein kluges Täublein auf die Stirn. Ich verstand und trollte mich. Wieder am Schreibtisch, hackte ich feierlich das ENDE VON ELFENBEINTURMSPRINGEN und den ANFANG VON GRIESELFIEBER in die Tasten.

Donnerstag, 19. April 2007

T-Punkt.

Alle schimpfen auf die Telekom. Nicht ich. Ich mag sie. Seit vorhin. Seit ich im T-Punkt war und meinen DSL-Festnetz-Flatrate-Anschluss ummelden ließ und es überhaupt nicht weh getan hat. Aller vorherige T-Punkt-Besuchs-Horror umsonst! Ich musste nur acht Minuten warten, die Frau war freundlich und kaugummikauend, was will man mehr! Auch murrte sie nicht, als ich gestand, kein Freund von Kundenkarten und Bonuspunkten zu sein. Dass ich keinen Gefallen daran finden kann, telekomkundenkartengestützt bei Karstadt und wer weiß wo sonst noch Punkte zu sammeln, dass mich solcherlei Beschäftigungen schlicht langweilen, dafür kann ich nichts, und so schien es auch die Telekomfrau zu sehen, denn sie quittierte meine aus Telekomkundenkartenvermarktungssicht unerfreuliche Antwort lediglich mit einem leicht schnippischen „Es ist IHR Geld. Wenn Sie es nicht wollen...“ Dann schrieb sie alles auf, was ich ihr sagte, weil sie danach fragte, reichte mir den Durchschlag und wünschte mir „viel Glück in der neuen Heimat!“ Gekostet hat der Vorgang nichts, weder Geld noch Punkte noch Nerven. Da schimpfe noch mal einer auf die Telekom! Der kriegt es mit mir zu tun! Der soll auf ewig Punkte sammeln!

Montag, 16. April 2007

Predigen geht immer schief.

Mal wieder sind es die Schriftsteller, die den Blick fürs WESENTLICHE behalten, auch wenn rundum alles kreischt und schreit, blinkt und poppt, Fahnen schwenkt, Fahnen verbrennt, Kopftücher verbietet, Kopftücher befiehlt, Hass predigt, Angst predigt, predigt, predigt... Predigen geht immer schief!

Ian Buruma, niederländisch-britischer Schriftsteller, sagt klug :

"Ob es den Europäern passt oder nicht: Die Muslime sind ein Teil Europas. Es werden sich nicht allzu viele von ihrer Religion abwenden, und deshalb müssen die Europäer lernen, mit ihnen und dem Islam zu leben. Das wird natürlich leichter, wenn die Muslime erkennen, dass das System auch zu ihrem Vorteil arbeitet. Die liberale Demokratie ist mit dem Islam vereinbar. (...) Wirklich beschädigt können die europäischen Werte letztlich nur durch Europas Reaktion auf seine nicht muslimische Mehrheit werden. Angst vor dem Islam und den Immigranten könnte zu einer restriktiven Gesetzgebung führen. Durch die dogmatische Verteidigung der Werte der Aufklärung werden es die Europäer sein, die genau diese Werte aushöhlen."

Eine dogmafreie Zone, ein Ort, wo niemand predigt, weil sich alle vertragen oder umgekehrt, ist der Wochenmarkt am Maybachufer, Berlin-Kreuzberg.


Ist, wo BIO draufsteht, auch BIO drin? Man weiß es nicht, muss vertrauen. Wie immer.


Das ist Egemen. Er wollte unbedingt aufs Bild. Jetzt ist er drauf. Schade, dass er erst nach dem Klick gelacht hat.


Alle Spitzen zeigen nach rechts. Was es da wohl zu sehen gibt?

Mittwoch, 4. April 2007

Hat Simmel Recht?

Schafft man es, einen soziologischen Fachtext zu lesen, ohne nach jedem dritten Wort einen Schluck Wasser trinken zu müssen, und verspürt man, am Ende des Textes angelangt, immer noch menschliche Regungen wie etwa Durst, was als Beweis gelten kann, dass man sich während der Lektüre wider Erwarten NICHT in einen Aktenschredder verwandelt hat, dann hat man es höchstwahrscheinlich mit einem Stück Prosa des Philosophen und Soziologen Georg Simmel (1858-1918) zu tun.

In seinem Aufsatz „Die Großstädte und das Geistesleben“ aus dem Jahr 1903 erklärt der Berliner Philosoph mit dem unphilosophischen Namen, wie der moderne Großstadtmensch der bedrohlichen „Steigerung des Nervenlebens, die aus dem raschen und ununterbrochenen Wechsel äußerer und innerer Eindrücke hervorgeht“, begegnet:
Als „Präservativ des subjektiven Lebens gegen die Vergewaltigungen der Großstadt“ dient dem Großstadtmenschen sein Verstand. Der Verstand ist nämlich „das am wenigsten empfindliche, von den Tiefen der Persönlichkeit am weitesten abstehende psychische Organ“, sein Ort sind die „durchsichtigen, bewussten, obersten Schichten unserer Seele“. Vorsichtshalber also spannt der Großstadtmensch zur Reizverarbeitung lediglich den Verstand ein, das Gefühl wird arbeitslos.

Damit einher geht die „Blasiertheit“: eine „Abstumpfung gegen die Unterschiede der Dinge, nicht in dem Sinne, dass sie nicht wahrgenommen würden, wie von dem Stumpfsinnigen, sondern so, dass die Bedeutung und der Wert der Unterschiede der Dinge und damit der Dinge selbst als nichtig empfunden wird.“ – Dem Großstadtmenschen muss alles mehr oder weniger egal sein, zumindest muss er so tun, als ginge ihn im Grunde alles nichts an, berühre ihn allenfalls an der äußeren Hirnrinde, da, wo der Verstand sitzt, mehr nicht.

Liebe Berliner, sagt: Hat Simmel Recht? Seid ihr wirklich allesamt Rechenmaschinen in Menschengestalt? Oder ist alles ganz anders? Und wenn ja: Wie?


Berliner Wal-Plakat: Manchen Großstadtreizen zu widerstehen fällt leichter als Simmel vermuten lässt.

Donnerstag, 22. März 2007

Epiktet sagt.

Was sagt Epiktet (50-125), Stoiker, in seinem "Handbüchlein der Moral und Unterredungen"? - Vieles. Zum Beispiel dies:
"Bei allem, was die Seele ergötzt oder Nutzen schafft oder dir lieb und wert ist, vergiss nicht, ausdrücklich zu erwägen, welcher Art es sei, und fange beim Geringsten an. Wenn dir ein Topf gefällt, denke: 'Mir gefällt ein Topf.' Zerbricht er dann, so wird es dir nichts ausmachen. Wenn du dein Kind oder deine Frau küsst, so sage dir, dass du einen Menschen küsst. Stirbt er, so wird es dir nichts ausmachen."

Stoiker müsste man sein: Topf oder Mensch - wo ist schon der Unterschied?

Dienstag, 20. März 2007

Vorsilbenrätsel.



verstellen – entstellen
verwirren – entwirren
verstehen – entstehen
(...)
entzweien - ?

Dienstag, 13. Februar 2007

Xing.

Jetzt bin ich auch drin, im Xing. Wozu, weiß ich noch nicht. Muss ich auch nicht. Nichts muss.
Meine Lieblingsfunktion bei Xing: Der Button "Profil als unecht melden".

Donnerstag, 1. Februar 2007

Dann Vanille!

Karlsruhe, Kaiserstraße, Konditorei Böckeler. „So einen Krapfen“, sagt die Frau mit dem Kopftuch, und mit rollendem R zeigt sie auf eine Palette Berliner: die mit dem Zuckerguss und den Mandelplättchen.
„Ist aber mit Alkohol“, sagt die junge Verkäuferin hinter dem Stand, und über ihren hübschen Augen hüpfen die Brauen einmal kurz auf und ab.
„Oh! Und diese da?“
„Mit Vanille.“
„Dann Vanille“, sagt die Frau mit dem Kopftuch, und die Krapfenberaterin wünscht ihr einen schönen Tag. Bestimmt wird sie den haben. Sie wird sich einen Tee kochen, den Vanillekrapfen essen, und vor dem Einschlafen wird sie vielleicht noch ein bisschen im Koran lesen. Oder „Simpsons“ gucken. – Äh, was war noch mal der „Kopftuchstreit“?

Mittwoch, 24. Januar 2007

Neo Logis Mus.

Willkommen bei unserer neuen Reihe "Neo Logis Mus"! Ab sofort wird unser neuer Schirmherr Prof. Dr. Dr. rer. nat. Neo Logi aus dem südöstlichen Nordwesten der Mongolei sein mongolisches Wissenschaftlerauge umherschweifen lassen, immer auf der Suche nach neuen Launen der Natur, die in der Fachliteratur noch nicht beschrieben wurden. Nach uralten Methoden seiner südostnordwestlichen Heimat wird Professor Logi seine Funde analysieren, präparieren und klassifizieren. Dabei ist der polyglotter Globetrotter für jede Anregung von außen dankbar, schließlich geht es um nichts weniger als um das exzellenzgeclusterte, kaltgeschleuderte Mus der Scientific Community!

Und hier Prof. Neo Logis erster Forschungsbeitrag:

"Scientifying"
= das Aufwerten kühner Behauptungen durch fiktive oder auf Bestätigung der Behauptung hin angelegte „Studien“ wissenschaftlicher Anmutung, wobei man sich von der Aura der Wissenschaftlichkeit öffentliche Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit in Bezug auf die eigene Person, das eigene Unternehmen und/oder Produkt erhofft. Einzige Hürde eines erfolgreichen Scientifying besteht im Auffinden eines geneigten „Wissenschaftlers“, der sich zweckmäßigerweise in finanzieller Notlage befindet.

Montag, 22. Januar 2007

Anzeige.

NEU!!! Ab sofort bietet die Agentur Dipolantenne in lockerer Folge Vor- und Nachteile zu relevanten Themen der Zeitgeschichte zum Nulltarif:

dipolantenne

Mitmachen und gewinnen: Wer regelmäßig eigene Vor- und Nachteile einschickt, nimmt automatisch an der Verlosung eines Konsenspakets im Umfang von 3,5 mal 2,5 mal 2 Metern teil!

Montag, 8. Januar 2007

Lifelong learning oder Ingwerhäschens Küchentipp.

Manche Dinge sind so selbstverständlich, dass ihr Leben auf dem Spiel steht. In einer Welt, in der nur ist, worüber man spricht, versuchen gewiefte Schaumschläger seit jeher, durch schicke Benennung der existenzbedrohenden Banalität Herr zu werden.

Die Wissenschaft weiß davon ein Lied zu singen. „Vergleichende Analyse wissenschaftlichen Fachvokabulars im Hinblick auf seinen Nutzen für die Wissenschaft i.U. zum Gebrauchswert für den scientifisch-narzisstischen Dialog“ wäre ein hübsches Thema für eine Doktorarbeit.

Keine Wissenschaft bringt es im Public Foam Whisking (PFW) zu solcher Meisterschaft wie die Psychologie. Natürlich darf jeder reden wie er will, auch Psychologen, und wenn er Formeln wie zum Beispiel „lifelong learning“ erfinden will, dann ist das sein gutes Recht. Schlimm oder sogar gefährlich wird es erst, wenn andere, zum Beispiel Journalisten, die seltsamen Blüten für Orchideen halten und sie in Silbervasen stecken anstatt ihnen das zu gönnen, was sie verdient haben: ein beschauliches Leben auf dem Komposthaufen.

„Lifelong learning“. Das bedeutet: Das eigene Hirn steht einem (in der Regel) ein Leben lang zur Verfügung. Heureka, wer hätte das gedacht! Anlass für gewisse Zweifel an diesem Konzept bieten allenfalls seine Erfinder. Ich bin mir sicher: Sein Überleben verdankt es allein dem Stabreim, der auf Englisch genauso funktioniert wie auf Deutsch. Schließlich ist nicht einzusehen, wieso alle von "lifelong learning" reden, aber keiner von "lifelong breathing", "lifelong sleeping" oder "lifelong eating".



Dies Ingwerhäschen dagegen kündet stumm davon, dass essen und lernen sich in puncto Lebenslänglichkeit in nichts nachstehen und man auch als langjährige Vertraute des Rübengerichts noch Neues lernen kann. Zum Beispiel, dass frischer Ingwer hervorragend zu Möhrengemüse passt. Und dass Möhren besser schmecken, wenn man sie vor dem Kochen in Stiftchen schneidet. Auch wenn man sie das halbe Leben lang in Rädchen geschnitten hat. Man lernt und isst eben immer weiter. Wenn man will, ein Leben lang.

Samstag, 6. Januar 2007

Sternsingers Job.

Drei heilige kleine Könige stehen vor der Klingelplatte eines mehrstöckigen Mietshauses. „Voll geil“, findet der eine irgend etwas (vermutlich Tokyo Hotel oder Ahoj Brause Himbeer oder den Weihrauch), aus der Sprechanlage knarzt es bedenklich. „Sternsinger“, spricht sein Königskumpel gelangweilt ins Lautsprecherraster. Das „Post!“ des Postboten klingt dagegen wie das „Halleluja“ aus Händels Messias. Offenbar ist Sternsinger kein leichter Job. Immer diese Süßigkeiten, die noch mehr kleben als die Küsse von den Omas zu Hause, vor denen man ja gerade flüchtet! Aber that's eben business, und so verschwinden die drei kleinen Könige ziemlich heilig im Treppenhaus.

Mittwoch, 3. Januar 2007

Null null sieben.

Das neue Jahr hat das Zeug zum Bond-Jahr.
Man sollte sich angewöhnen, auf sämtlichen Formularen, Briefen, Urkunden und Fehlanzeigen, die in diesem Jahr mit Datum versehen werden, die Jahreszahl dreistellig abzukürzen. Jedes noch so dröge Amtsformular würde optisch und akustisch aufgewertet und gewänne im Handumdrehen an Schlagkraft und Würde. Ein Hartz-IV-Antrag etwa - an sich ein nicht eben erbauliches Stück Papier - müsste sich nicht mehr unter Bergen von Ja!-Schokoladenpapier, vollgeschnieftem Zellstoff und leeren Zigarettenschachteln verstecken, denn die Männlichkeit und Kraft und Stärke der hoch sprengkräftigen Jahreszahl färbte umgehend auf den Antragsteller ab, was nicht heißen soll, dass die ungeliebte Hilfe vom Staat herbeigeballert werden sollte. Das nun doch nicht.
Auch Tütensuppe, Margerine und Knäckebrot, von denen sich unser fiktiver Antragsteller fortan ernähren muss, würde die 007-Prägung hinter dem "Mindestens haltbar bis" gut zu Gesichte stehen, und der Antragsteller würde nach Hause kommen, die Suppe nach einem dreifachen Salto über der Herdplatte mit den Zähnen aufreißen, den Inhalt ins siedende Wasser kippen und dabei den John Travolta machen.
Nachrichten von echten Kriegen bekämen dank der neuen Datumsanzeige etwas beruhigend Fiktives. Und überall da, wo Zeit im öffentlichen Raum auf LED-Anzeigen glimmt, spürte man den Geschmack von Martini auf der Zunge, egal ob gerührt oder geschüttelt.
Vorausgesetzt, man ist diesmal bei den Verfolgungsjagden nicht wieder eingeschlafen und findet Geräteturnen auf der Leinwand nicht langweilig.