Samstag, 8. April 2006

Psychohandy. Mein Handy weiß alles!

Dass die Entwicklung technischer Geräte, insbesondere auf dem Telekommunikationsmarkt, der mentalen ihrer Nutzer meilenweit voraus ist, ist ein Gemeinplatz, der einer eingehenderen Erörterung eigentlich unwürdig ist. Halt! „Unwürdig“ ist ein großes Wort, und große Worte sollen sorgfältig überdacht werden – ob Spitzgiebel- oder Flachdach sei dahin gestellt, und wer jetzt fragt „wohin denn?“, hat bewiesen, dass ihm auch mit dem gesamten Bestand der bei GU erhältlichen Gehirnjoggingtrainer nicht zu helfen ist.

Ein beliebtes Fleckchen auf o.g. Gemeinplatz ist der rasante Generationswechsel unter den Mobiltelefonen vulgo „Handys“. Kaum haben wir uns daran gewöhnt, dass wir mit den „Handys der neuen Generation“ fotografieren und kleine Filme drehen können, da kommt schon die nächste Generation und kämpft um Aufmerksamkeit, indem sie mit Spruchbändern und Schellenkränzen gegen den „Muff von tausend Jahren“ rebelliert, dass Rainer Langhans sich vor Neid die Haare raufen würde, wenn sie nicht sowieso schon dauergerauft wären.


So. Nun aber zur Sache. Gestern wurde ich Zeuge einer Demonstration nahezu grenzenloser Überlegenheit der Technik gegenüber der Psychologie.

Ich trabte am späten Nachmittag durch die Karlsruher Fußgängerzone. An den Drehständern hingen wie immer die Kleiderbügel voll Polyesterkonfektion, und da die Sonne frühlingshaft vom Himmel schien und die Beats am Vorabend nichts zu wünschen übrig gelassen hatten, klebten mir ausnahmsweise mal keine Bleikugeln an den Füßen, wie sonst beim Durchqueren deutscher Fußgängerzonen. Ich ließ meine Gedanken wandern und protestierte nicht, als sie sich bei einem Freund von mir niederließen, dessen Name hier nichts zur Sache tut. Geistesabwesend kramte ich in meiner Tasche nach meinem Fahrradschlüssel, als ich auf einmal sah, wie mein Mobiltelefon aus freien Stücken und völlig selbstständig eine Verbindung zu eben jenem Freund aufbaute, bei dem meine Gedanken gerade picknickten! „Mein Handy kann Gedanken lesen!“, dachte ich nicht ohne Bewunderung für das schlaue Gerät, zu dem ich ansonsten ein eher gespaltenes Verhältnis habe. Doch anstatt es gewähren zu lassen, brach ich die Verbindung schnell ab. Wie hätte ich dem Freund erklären sollen, dass nicht ich, sondern mein Gedanken lesendes Handy soeben seine Nummer gewählt hatte? -

Ich wette, man hat mir aus Versehen den Prototyp der neuen Handygeneration verkauft.


Statt zum Erwerb eines Automaten-Energiesteins in einer piefigen Walmart-Filiale rate ich lieber zum Kauf eines Psychohandys.

1 Kommentar:

  1. Erstaunlich! Unglaublich!! Beeindruckend! Oder - wie unsere schlesischen Freunde an dieser Stelle sicher sagen würden - "Ist es denn die Meechlichkejt!"

    In Deinem Fall hätte das Psychohandy seiner ahnungslosen Besitzerin - hätte man es walten und besagten Freund anrufen lassen - ja einen erbaulichen Dienst erwiesen. Auch längst angerostete Freundschaften könnten auf diese Weise gerettet, ja mitunter sogar Familien wieder zusammengeführt, Kriege beendet werden.

    Doch bedenke man einmal eine ebenso gut gemeinte, aber ungewollte Aktion eines solchen Psychohandys!
    Die Ehefrau im Arme Ihres Geliebten beispielsweise, die schuldgeplagt an ihren Ehemann denkt. Das Handy spürt dies und wählt pflichtbewusst und unbemerkt die Nummer des Gehörnten, der daraufhin Zeuge mancherlei außerehelicher Liebesseufzer wird.

    Oder aber der angeblich kranke Arbeitnehmer, dessen Gedanken vom Fußballplatz mit schlechtem Gewissen gen Chefin wandern - die wiederum ihrerseits einen Anruf des Blaumachers erhält, bei dem sie wenig außer gegröhltem "Toooor!" und "Die Nummer Eins! Die Nummer Eins! Die Nummer Eins im Pott sind wir!" vernehmen wird.

    Insofern haben Sie, liebe Pandora, einmal wieder höchste Umsicht bewiesen, als Sie das hochsensible Gerät daran hinderten, das eigenmächtig beschlossene Telefonat auszuführen.

    Nachdem Sie die Begebenheit nun hier publik gemacht, nehme ich an, dass Sie bald einen Anruf der Firma Nokia erhalten, denn es kann sich nur um einen dieser Prototypen handeln, wie seinerzeit die Glühbirne mit der unendlichen Lebensdauer im Flur eines ahnungslosen Bürgers der Nachkriegszeit, die von Osram sofort wieder beschlagnahmt wurde.

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