Montag, 3. April 2006

Forderungsmanagement: Aktenzeichen XY.

Vorgestern öffnete ich ein bemerkenswertes Schreiben. Eine so genannte „InFoScore Forderungsmanagement GmbH“ mit Sitz im (von Karlsruhe aus) benachbarten Baden-Baden hatte offenbar das Bedürfnis, mit mir zu kommunizieren. Ich ließ sie gewähren und öffnete den Briefumschlag.

„Forderung: ARCOR AG & CO.KG“ lautete die fett gedruckte Überschrift.
Ich war erstaunt, dass die Firma ARCOR sich immer noch mit mir befasste - wenn auch nur indirekt über geheimnisvolle Forderungsmanager, die man sich vermutlich so vorstellen muss wie die grauen Herren bei Momo. Dass ich meinen Vertrag bereits im Dezember vergangenen Jahres ordnungsgemäß gekündigt hatte, da es ARCOR binnen drei Monaten nicht gelungen war, einen funktionstüchtigen Festnetzanschluss in meiner Wohnung einzurichten, hielt die Forderungsmanager bzw. deren Auftraggeber ganz offensichtlich nicht davon ab, Forderungen zu stellen. Respekt!


„Sehr geehrte Frau G.“, hieß es da. „Ihre Gläubigerin hat uns mit dem Einzug der überfälligen Forderung beauftragt.“ Moment! ICH hatte eine GLÄUBIGERIN?! Eine Mischung aus Stolz und Vorurteil gegenüber halsabschneiderischen Telekommunikationsanbietern und deren Verbündeter bemächtigte sich meiner. Eine Gläubigerin hatte ich noch nie gehabt, genauso wenig wie einen Gläubiger, und im Betreten von Neuland liegt ja meistens ein nicht zu gering zu bewertender Reiz, es sei denn, es handelt sich um ein Sumpfgebiet im Norden von Weißrussland. Ob es dort tatsächlich Sumpfgebiete im geografischen Sinn gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, und im Augenblick bin ich zu faul, den dicken wissen.de-Atlas aus dem Regal zu ziehen, und außerdem reicht ein Blick in dieses wunderbare Kartografenwerk und ich verliere mich die nächsten zwei Stunden in virtuellen Reisen um den Globus, manchmal auch auf den Mond oder zum Mars. Und solch schwärmerischer Luxus ist jetzt nicht am Platze! Schließlich geht es um nichts weniger als den Start meiner kriminellen Karriere!!

Um es kurz zu machen: Die „überfälligen Forderungen“ belaufen sich auf insgesamt Euro 193,05. Von ARCOR geleisteter Gegenwert:
- Ca. 7,5 Stunden Warteschleifenmusik
- mindestens 5 E-Mails des Inhalts „Da wir von Ihnen nichts mehr gehört haben, gehen wir davon aus, dass das Problem jetzt behoben ist“ (dass gar nichts behoben war, hatte ich wiederholt erörtert, sowohl gegenüber dem geschundenen Callcenter-Mitarbeiter als auch per E-Mail, was ARCOR aber nicht zu interessieren schien)
- 1 Besuch eines Telekom-Mitarbeiters (immerhin!), der mir kurz nach Vertragsunterzeichnung die nötigen Plastikkästchen für den DSL-Anschluss aushändigte, was sich im Nachhinein als die einzige sichtbare Anstrengung von ARCORs Seite herausstellte.

Da also die vereinbarte Dienstleistung (Einrichtung eines funktionierenden Festnetzanschlusses) von ARCOR nie erbracht wurde, haben auch die so genannten „Forderungen“ entsprechend abstrakte Namen. Sie heißen:
1. Hauptforderung: DIENSTLEISTUNGSVERTRAG (tatsächlich in Majuskeln!)
2. Verzugszinsen vom so-und-so-vielten, so-und-so-vielten, usw.
3. BISHERIGE MAHNAUSLAGEN UNSERER PARTEI
4. INKASSOKOSTEN INKL. KONTOFÜHRUNGSGEBÜHR
5. BEREITS ERFOLGTE ZAHLUNGEN
6. Ermittlungskosten
7. Gesamtforderung
Virtueller geht es wirklich nicht. Abgesehen von dem willkürlichen Wechsel von normaler Typo zu Großbuchstaben, dessen Sinn sich mir noch immer nicht erschließt, gilt dem zuständigen Kreativen mein ganzer Respekt für die Naming-Entwicklung. Wo auch immer er beschäftigt sein mag, ob bei ARCOR oder bei InFoScore, ich bin mir sicher, ihm steht eine glänzende Karriere im Bereich „Kreation“, Unit „Text“, Subunit „Naming“, Subsubunit „Naming virtual finances“ bevor.

Und weil so viel Kreativität abfärbt, habe ich mich entschlossen, die virtuellen Dienstleistungen mit den fantasievollen Namen ebenso virtuell zu entlohnen. Das bin ich meiner Gläubigerin schuldig!

3 Kommentare:

  1. Glückwunsch zur Gläubigerin. Sowas hat nicht jede(r).

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  2. Völlig richtig, Pandora, völlig richtig - das schulden Sie Ihrer Gläubigerin (zu deren Besitz auch ich Ihnen analog zu meinem Vorkommentator herzlich gratuliere)

    Telekommunikationsdienstleister sind in der Tat ein unerschöpflicher Quell an Kuriositäten und Bodenlosigkeiten; zumindest kenne ich keinen, der noch nicht Opfer der einen oder anderen Clownerie dieser Branche wurde.

    Im Übrigen hab ich nun einen neuen Berufswunsch: Creative Director in der Subabteilung "Naming Virtual Finances". Habe mich mal wieder KÖSTLICH amüsiert, Pandora, Chapeau Chapeau!!

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  3. Hallo Pandora,
    ich muss Dich enttäuschen. Ich habe nämlich auch eine Gläubigerin. Sie heisst zwar nicht Arcor, sondern Talkline, hat jedoch das gleiche Inkassobüro beauftragt. Seit ca. 2 Stunden amüsiere ich mich nun im Internet mit infoscore, isar inkasso und Herrn Rechtsanwalt Rainer Haas - offenbar ein unerschöpflicher Quell von Unfassbarkeiten.
    Ich bin aber eigentlich nicht scharf darauf, im Besitz dieser Gläubigerin zu bleiben, hast Du Verwendung dafür? In treue Hände abzugeben ....

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