Montag, 6. Februar 2006

Wo gehobelt wird, fallen Spätzle.

„Wo gehobelt wird, fallen Spätzle“, kommentierte neulich ein Freund die hygienisch-ästhetischen Kompromisse, die vermutlich nicht nur Küchenlaien wie wir eingehen müssen, wenn sie in den Genuss selbstgemachter schwäbischer „Spätzle“ kommen wollen. Und wer will das nicht?

Tatsächlich soll es Menschen geben, die dem hausgemachten Original seine schockgetrocknete Stiefschwester vorziehen und lieber stumpfsinnig vor beschlagenen Küchenfenstern den trübsten Gedanken nachhängen, bis bleiche, dürre, zuvor in Plastik eingeschweißte Wurmgebilde nach viertelstündigem Bad in kochendem Wasser endlich aus ihrer Leichenstarre erwachen, als sich am Anblick goldgelb durch die Löcher des Spätzlehobels perlenden Frischteiges zu ergötzen. Was wohl die Menschen in solche Blindheit treibt, dass sie nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können? Eine schlimme Kindheit? Unterdrückte sexuelle Perversion? Oder einfach die Freude am Schrecklichen? Am Bösen an sich? Man weiß es nicht. Will es nicht wissen...

Wo gehobelt wird, fallen Spätzle. Ein Satz von höherer Weisheit. Aus ihm spricht der unbedingte Wille zum Guten. Der Dalai Lama würde bei solchen Worten glatt seine Lachfalten verlieren, bekäme er davon Wind, dass sie nicht seiner PR-Agentur eingefallen sind und somit die Verwertungsrechte woanders liegen. In einer Karlsruher WG-Küche zum Beispiel.

Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass, wo gehobelt wird, weitaus öfter Spätzle fallen, als uns bewusst ist?

Nehmen wir die Mohammed-Karikaturen. Es wurde kräftig gehobelt, zuerst in Dänemark, dann in Frankreich, Deutschland und anderen europäischen Staaten. Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als ob das nationenübergreifende Hobeln der sich mutig gebärdenden „Blattmacher“ nichts als einen beträchtlichen Haufen Späne hinterlassen habe (brennende Botschaften, Großdemonstrationen mit Hasstiraden und Morddrohungen, ja sogar erste Todesopfer). Aber nur tumbe Börsentickerabonnenten geben sich mit dem erstbesten Blick zufrieden. Dabei offenbart der zweite oft das genaue Gegenteil.



Nun muss man schon ein emotionaler Analphabet sein, um brennende Büros oder das Meucheln unbescholtener Familienväter gut zu heißen. Nein, nein und nochmals nein, dieses ist unter (nahezu) keinen Umständen zu befürworten, und früge mich ein Sounddesigner, wie er solches Tun akustisch untermalen solle, so zöge ich den Offenbach’schen „Orpheus in der Unterwelt“ ohne zu zögern Beethovens „Freude, schöner Götterfunken“ vor. Aber da kein Sounddesigner mich gefragt hat, wird die Überlegung gestattet sein, ob die urbanen Turbantumulte vulgo „Karikaturenstreit“ nicht auch irgendwo, in den schlecht ausgeleuchteten Winkeln politischer Untadeligkeit, ihr Gutes haben, ob nicht – bei aller Ungehobeltheit, die jede Gotteslästerung in den Augen der Gottesanbeter und –beterinnen bedeuten muss - die Späne des Karikaturhobelns in einem höheren Sinne Spätzle sind. Sie hießen dann zum Beispiel: „Gelassenheit“. „Humor“. Meinetwegen auch „Meinungsfreiheit“. Aber bis auf eine gewisse Ähnlichkeit im Schriftbild haben Hamas und Humor nicht viel gemein, weswegen der Hamashumor der westlichen Welt wohl noch mehrere Dekaden über Rätsel aufgeben wird.
Ob also, wo gehobelt wird, Spätzle oder Späne fallen, liegt offensichtlich da, wo fast alles liegt: im Auge des Betrachters.

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