Mittwoch, 1. Februar 2006

Über Schönheit.

Ein Palast. Ein Model. Ein WM-Slogan.

Thomas Hoof ist der Gründer des Versandhandels „Manufactum“. Hier wird der globalen „Schneller-Billiger-Schlechter“-Produktionsspirale mit umweltfreundlich und äußerst stilvoll gefertigtem Hausrat der Fehdehandschuh (Obermaterial: feines Büffelleder, Futter: Lammfell) hingeworfen. „Es gibt sie noch, die guten Dinge“, heißt der Wahlspruch des Hauses. Die weithin verbreitete Wegwerfmentalität wird hier an der holzgefertigten Garderobe (Schreinerei Kohlhaas aus Winden in der Pfalz) abgegeben oder wahlweise durch die hochwertige Edelstahl-Küchenmaschine (ihr leises Surren fügt sich harmonisch in die e-moll-Fuge des ‚Wohltemperierten Klaviers’ von Johann Sebastian Bach) gejagt. Denn „gut“ heißt für Thomas Hoof in erster Linie: langlebig, reparierbar und nach hergebrachten Herstellungstechniken gefertigt. Und als ausgewiesener Bücherfreund (mit eigener Verlagsbuchhandlung „Manuscriptum“) weiß er: Wo das Gute ist, ist das Schöne nicht weit. Die Manufactumware ist eben deswegen gut, weil sie "aus ihrer Funktion heraus materialgerecht gestaltet und daher schön" ist, wie es im Katalogeditorial heißt.

An dieser Stelle verlassen wir die wahren, guten und schönen Waren, schnippeln die gehaltvolle Hoof’sche Definition aus ihrem Kontext, legen sie unters Mikroskop (eine handelsübliche Lupe tut’s auch) und sehen sie uns genauer an:

Wann ist ein Ding „schön“? – Antwort: wenn es "aus (seiner) Funktion heraus materialgerecht gestaltet“ ist. Das führt zu weiteren Fragen.

Fragen wie

a) Ist der Palast der Republik schön?

Mit Sicherheit ist er aus seiner Funktion (Hüpfburg für Stasispitzel) heraus materialgerecht gestaltet (flächendeckende Asbestverseuchung, blickdichtes Fensterglas), aber ist er deswegen wirklich „schön“?

Wahre Schönheit kommt von innen, könnte man sagen. Aber wenn da nichts mehr ist? Und wenn man, als da noch was war, von außen nicht reingucken konnte? Wenn man stattdessen nur sein eigenes Spiegelbild sah? Moment mal, vielleicht liegt hierin ja schon die Antwort: Der P.d.R. war zu Lebzeiten genau so lange schön, bis man ihn betrat – ein ungetrübtes Verhältnis zum eigenen Spiegelbild vorausgesetzt. War man erst einmal drin, spielten zutiefst antisozialistische Disziplinen wie Schönheit sowieso keine Rolle mehr. Und in ein paar Wochen ist dank chemisch-ideologischer Verseuchung sowieso Schluss mit Geschichte. Dann geht’s voran! Mit großen Schritten zurück ins Kaiserreich!

Oder auch

b) Ist Kate Moss schön?

Der "aus ihrer Funktion heraus materialgerecht gestaltet“-Test ergibt: Eindeutig ja! (Erkl.: Funktion: koksend-morbider Modevamp; Material: Gucci, Koks, Haut und Knochen)

Oder

c) Ist der WM-Slogen, „Die Welt zu Gast bei Freunden“, schön?

Geht man davon aus, dass die Funktion dieses Slogans darin bestehen soll, die Welt von dem mit schiefen Metaphern garnierten Amalgam aus Hybris und plumper Vertraulichkeit des WM-Gastgeberlandes zu überzeugen: Ja. Andernfalls: Nein. Denn 1. erschöpft sich die Welt nicht in 31 Fußballnationen; 2. ist auch Deutschland Teil eben dieser Welt und die Gesetze der Logik verbieten es, dass der Gastgeber bei sich selbst zu Gast ist, 3. erklärt man sich nicht ungefragt zum Freund von jemandem, erst recht nicht von ganzen Nationen, und noch viel weniger von 31 Nationen! Oder haben wir etwa die Elfenbeinküste gefragt, ob sie uns zum Freund haben will?

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